ENTWEIHT
Arbeit, der sie zuletzt alle erlagen. In seiner Erinnerung sah Trask noch eine Sekunde lang Darcys Gesicht vor sich, dann war es verschwunden, einfach weg, genau wie Darcy.
Doch es gab noch andere, viel zu viele, die sich in seine Erinnerung drängten und sich über die Gesichter der Anwesenden schoben, jener kleinen Schar neuer Leute, die darauf warteten, dass Trask endlich fortfuhr. Doch er konnte nichts gegen die Erinnerungen tun, die ihn nun übermannten.
Sir Keenan Gormley, der erste Leiter des E-Dezernats. Trask konnte ihn geradezu vor sich sehen: in den Sechzigern, und so langsam sah man ihm sein Alter an. Runde Schultern an einem einst gut gebauten, doch nun unvermeidlich gebeugten Körper, auf dem ein kurzer Hals saß und darauf ein Kopf mit einer hohen Stirn. Seine grünen Augen wirkten ein bisschen trübe, doch ihnen entging nichts. Die Lachfältchen in den Augenwinkeln täuschten über die schwere Last seiner Pflichten hinweg, und das ergrauende, ordentlich gekämmte Haar war nur ein ganz klein wenig schütter.
Abgesehen von kleinen Herzschwierigkeiten, was bei Männern seines Alters nichts Ungewöhnliches war, hätte Sir Keenan gut und gern noch viele Jahre vor sich gehabt ... Hätte . Wären ihm nicht Boris Dragosani und Max Batu über den Weg gelaufen, beide ESPionage-Agenten des russischen E-Dezernats. Dragosani war ein Vampir und Nekromant, und Batu verfügte über den bösen Blick. Er konnte mit einem einzigen Blick töten. Sein »Talent« ließ Sir Keenans Herz einfach stehen bleiben!
All dies war bereits Jahre her, und seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der einstigen UdSSR hatte es derartige Umwälzungen gegeben, dass noch immer nichts gefestigt und selbst heute noch politisch alles ein einziges Durcheinander war. Doch wie dem auch sein mochte, Dragosani und Max Batu hatten für ihre Taten längst mit ihrem Leben bezahlt – und zwar zur Gänze, und mehr als das. Sie befanden sich an einem weit finstereren Ort als der arme Sir Keenan. Alles nur dank Harry Keogh.
Gormleys Gesicht verblasste vor Trasks innerem Auge, und an seiner statt sah er vor sich John Grieve unter den Zuhörern, einen Weggefährten Sir Keenans aus alten Zeiten. Wahrscheinlich hatte seine Anwesenheit hier die Erinnerung heraufbeschworen ...
Doch damit waren die Bilder aus der Vergangenheit noch lange nicht gebannt; in einer schier endlosen Reihe zogen die Gesichter an Trask vorüber, darunter auch dasjenige von Guy Roberts, dem Seher.
Der unentwegt fluchende, pietätlose, kettenrauchende Guy. Er konnte weit in die Zukunft blicken und hatte damals, als Harry Keogh das E-Dezernat vor Yulian Bodescu warnte, das Team unten in Devon geleitet. Trask erinnerte sich gut daran; er trug noch immer die kleinen, weißen Narben, vorn und hinten unter dem rechten Schlüsselbein, wo ihn in der Scheune von Bodescus Landsitz der Zinken einer Mistgabel aufgespießt hatte.
Das war eine verdammt üble Zeit für das E-Dezernat gewesen, regelrecht die Hölle . Dies war das einzig angemessene Wort dafür. Bodescu, ein noch nicht voll entwickelter Vampir, hatte Guy Roberts getötet (oder vielmehr abgeschlachtet, ihm das Hirn aus dem Schädel geprügelt), als dieser versuchte, Brenda Keogh und ihren Sohn, noch ein Kleinkind, zu schützen. Und Guy war nicht der Einzige gewesen, der dafür bezahlen musste, dass er beim E-Dezernat arbeitete.
Ihre Namen ... waren zwar nicht unbedingt Legion, doch so kam es Trask durchaus vor. So viele seiner Freunde gab es nicht mehr. Peter Keen, Simon Gower und der junge Harvey Newton: Sie alle hatte Bodescu getötet. Und dann war da noch Carl Quint, der im moldawischen Vorgebirge an einem Ort uralten Grauens in Stücke gesprengt worden war. Die Gesichter kamen und verschwanden wieder, und es wollte kein Ende nehmen.
Alec Kyle, einstmals ebenfalls Chef des E-Dezernats: In ihrem Hauptquartier im Château Bronnitsy hatten die Wissenschaftler der Gegenseite sein Gehirn allen Wissens beraubt. Kyle war tot gewesen, im weitesten Sinne des Wortes, nur noch ihre Maschinen hatten ihn am »Leben« erhalten – bis der körperlose Necroscope eingeschritten war, den Körper übernommen und wiederbelebt hatte. Es stand Trask noch deutlich vor Augen. Manche munkelten, Harry habe die Situation womöglich ausgenutzt, doch auch hier hatte Trask ihn in Schutz genommen. Harry traf keinerlei Schuld; er war einfach von dem Vakuum, das Kyles seines Geistes entleerter Kopf darstellte, eingesogen worden. Wäre dies nicht
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