ENTWEIHT
nachhing – war an den steilen Straßenrand getreten, um aufs Meer hinaus zu blicken. Was nun die anderen vier betraf: David Chung, der bei diesem Einsatz wohl die wichtigste Person war, machte den Anfang:
»Etwas hat sich verändert. Zwar nicht drastisch, aber etwas ist anders. Beim letzten Mal, als Liz und ich uns den Palataki anschauten, sahen wir – ich weiß nicht – ein geistloses, wimmelndes Etwas; eine Art von Leben, nehme ich an, aber was genau für eine Art, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht handelt es sich um eine jener Pilzfarmen, ähnlich derjenigen unter dem Pleasure Dome in Xanadu. Allerdings hatte das Anwesen einen vampirischen Hüter, wahrscheinlich Vavaras Leutnant. Nun, das war letztes Mal. Als wir heute Abend am Palataki vorüberfuhren, strengte ich mich an, so gut ich konnte, gab meine volle Konzentration. Das wimmelnde Etwas hat sich fast nicht verändert, der Leutnant hingegen schon. Das heißt, er ist nicht mehr da – dafür aber etwas anderes. Ich entdeckte eine weit stärkere Macht, allerdings nur ganz kurz. Sie war da und gleich wieder verschwunden – so als hätte sie meine Sonde gespürt, sich zurückgezogen und sofort abgeschirmt. Vavara? Oder Malinari? Es hätte jeder der beiden sein können. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass es ein Wamphyri war! Aber ob nun auch Knechte zugegen waren oder nicht, das vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß es nicht. Denn die Aura dieses Vampirs war so stark, dass sie alles andere überschattete.«
Als der Lokalisierer endete, hatte Trask seine Fassung wiedergewonnen und sich wieder zu der Gruppe gesellt. »Wahrscheinlich Vavara«, flüsterte er mit rauer Stimme. »Bei der Pflege ihres Gartens. Aber das ist bloß eine Vermutung und keineswegs sicher. Ich bin mir überhaupt nicht mehr sicher, ob ich bei irgendeiner Sache die Wahrheit erkenne.«
»Immerhin ist es naheliegend«, fiel Goodly ein, »denn was könnte Malinari schon im Palataki zu tun haben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Territorialverhalten der Wamphyri so etwas zuließe. Aber wie dem auch sein mag, es ist bloß einer von ihnen da, also ist die Frage hypothetisch.«
Und Manolis fügte hinzu: »Vielleicht sind sie sogar geschwächt dadurch, dass sie getrennt sind. Ich nehme es jedenfalls lieber einzeln mit ihnen auf als mit beiden auf einmal.«
Darauf wandte Lardis Lidesci sich an Chung: »David, was hast du sonst noch wahrgenommen? Ich meine, am Kloster. Womöglich gibt das uns ja einen Hinweis darauf, wer sich im Palataki aufhält. Ich für meinen Teil konnte an beiden Orten Vampire riechen.«
Damit lag er genau richtig, denn Chung erwiderte: »Ich spürte dieselbe äußere Abschirmung, dieselbe verlogene Fassade wie beim letzten Mal. Vielleicht hat Vavara dem Ort ja einen dauerhaften Stempel aufgedrückt. Aber diesmal wusste ich, womit ich zu rechnen hatte, und blickte viel tiefer, darum sah ich, dass sich hinter diesem sogenannten Kloster in Wirklichkeit die Abgründe einer kranken Hölle verbergen!«
»Und die Frauen darin, einstige Nonnen, brennen in dieser Hölle!«, nickte der Hellseher. »Genau so, wie ich sie gesehen habe.«
»Schon möglich«, fuhr Chung fort. »Vielleicht brannten einige von ihnen darin, vielleicht brennen einige immer noch, aber so fühlte es sich nicht an. Es war kälter als Eis und jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken, so als wäre ich auf eine eisige Jauchegrube gestoßen, und sie alle suhlten sich darin. Stellt euch das vor, falls ihr es wagt. Alles, was diese Frauen, die ihr Leben der Kirche weihten, jemals tief in ihrem Innern unterdrückten – alles, was sie sich versagten –, ist jetzt an der Oberfläche, und sie schwelgen geradezu darin!«
»Nichts anderes war zu erwarten«, nickte Trask. »Sie gehören jetzt Vavara und wir können nicht eine von ihnen retten.«
Chung nickte zustimmend. »Tut mir leid, dass ich das sagen muss«, bestätigte er, »aber in dem gesamten Anwesen konnte ich nicht einen einzigen Funken Anstand entdecken.«
»Und wie sieht dein Plan jetzt aus?«, wandte Goodly sich an Manolis.
»Gut sieht er aus, außerdem ist es der einzige, den wir haben«, entgegnete dieser. »Der Parkplatz vor dem Kloster bietet dem Tanklaster genügend Raum zum Manövrieren. Außerdem ist es jetzt ohnehin zu spät, noch irgendetwas zu ändern. Stavros befindet sich mittlerweile auf halbem Weg zum Flugplatz. Er hat den Tankwagen schon so gut wie in Besitz genommen. Wenn er sich mit Andreas trifft, bevor die
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