ENTWEIHT
mit einem Glas Milch und einem Teller Sandwiches und wirkte ziemlich verwirrt.
»Vor zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Minuten«, sagte sie Trask, »bat Liz mich, ihr ein paar Sandwiches zu bringen. Ich muss sowieso noch spät arbeiten, also machte ich ihr welche. Und jetzt ist sie nicht da. Vielleicht geht sie ja nachts schwimmen, eh?«
Mittlerweile war Manolis zu ihnen getreten und nahm Trask am Arm. »Ja, wahrscheinlich. Aber keine Sorge, ich kümmere mich darum, dass sie die Sandwiches bekommt. Vielen Dank!«
Während Katerina sich verabschiedete und dem Verwaltungsgebäude zustrebte, bekam Trask plötzlich weiche Knie. Er starrte auf Liz’ Chalet, und seine Glieder durchlief ein heftiges Zittern. Ungläubig den Kopf schüttelnd, stammelte er: »Alle Lichter sind an und die Tür … die Tür steht offen!«
»Du darfst nicht gleich das Schlimmste befürchten, mein Freund«, versuchte Manolis ihn zu beruhigen.
Mit einem Ruck machte sich Trask von ihm los. »Was? Nicht das Schlimmste befürchten? Du dämlicher Idiot! Ich weiß , dass das Schlimmste eingetreten ist! Du siehst es doch! Sie sahen das Licht bei ihr brennen, und sie machte ihnen die Tür auf in der Annahme, es sei Katerina! Liz! Oh, mein Gott, Liz! «
Das war der Moment, in dem Manolis Trask hart anpackte, und als Lardis auf dem Schauplatz erschien, half auch er mit. Aber der Ausdruck auf Manolis’ Gesicht genügte; er mahnte Trask, dass der etwas jüngere, beinharte griechische Polizeibeamte ihn schon beruhigen würde, wenn er es nicht selber tat und sich auf der Stelle zusammenriss!
Mittlerweile war auch der andere Wagen eingetroffen. Es dauerte bloß ein paar Sekunden zu erklären, was los war. Jeder machte sich in einer anderen Richtung auf die Suche nach Liz –
– allerdings erfolglos ...
Eine halbe Stunde zuvor:
Es war kurz nach 23:15 Uhr Ortszeit – das heißt westeuropäische Zeit – als Millie Cleary in einer trockenen, modrig riechenden Finsternis das Bewusstsein wiedererlangte. Sie stellte fest, wie spät es war, indem sie die winzige Bewegung riskierte, die man braucht, um die Augen zu Schlitzen zu öffnen, und einen Blick auf die Leuchtziffern ihrer Armbanduhr warf. Das machte sie instinktiv, aus reiner Gewohnheit, es war beinahe schon eine Reflexreaktion auf das Wachwerden; Millie sah stets auf die Uhr, wenn sie aufwachte. Nun wusste sie also, wie spät es war, nämlich 23:15 Uhr, die leichteste Übung, doch wo sie sich befand, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Sie befand sich fraglos irgendwo unter der Erde (sie erinnerte sich dunkel an ihren albtraumhaften Abstieg hierher). Aber wo genau und wie tief … wer vermochte das schon zu sagen?
Als Millie wieder einfiel, wie und von wem sie entführt worden war, und am Hals auch noch einen gewissen Schmerz verspürte, war ihr erster wirklich zusammenhängender Gedanke: Oh, mein Gott! Lass es nicht wahr sein! Bitte, sag, dass es nicht passiert ist!
Als ihre linke Hand jedoch an ihren schlanken Hals fuhr, beide Seiten unter den Ohren befühlte und nach den verräterischen Wunden tastete, erscholl aus dem Dunkel von fern eine Stimme: Mache dir keine Sorgen, kleine Gedankendiebin! Es ist nicht passiert … noch nicht. Denn ich wünsche, dass du erst siehst, was ich getan habe, und weißt, was ich noch tun werde, und mich aus eigenem, freiem Willen als deinen Herrn und Meister anerkennst. Außerdem wirst du mir gewisse problematische Dinge der Welt da draußen erläutern müssen, damit ich ihnen zu gegebener Zeit meine Aufmerksamkeit widmen kann. Und zuletzt, wenn wir einander besser verstehen, und mir alles bekannt ist, was du über das E-Dezernat und seine Schlächter weißt – denen man nachsagt, sie hätten sogar bereits Wesen wie mich getötet –, dann werde ich dich wahrhaft zu der meinen machen. Ich werde dir Unsterblichkeit verleihen – innerhalb gewisser Grenzen, versteht sich, und dich in die Welt hinaussenden, meine Gebote zu erfüllen. Als meine Gesandte und Plagenbringerin zugleich, aaaaye!
»Szwart!«, stieß Millie den grauenvollen Namen in der nahezu greifbaren Finsternis hervor, die ihren fünf Alltagssinnen wie schwarzer Samt vorkam.
In der Tat!, antwortete die rasselnde, keuchende, gurgelnde Stimme in ihrem Kopf. Ich bin der Gebieter der Finsternis und Herr der Nacht! Doch Szwart? Einfach nur Szwart? Oh, nein! Für jemand wie dich immer noch Lord Szwart, kleine Gedankendiebin.
»Wo bin ich?« Millie ertappte sich dabei, dass sie flüsterte. Und dann
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