ENTWEIHT
Trask den russischen Premier darum gebeten, Castellano ausfindig zu machen, und Turchin hatte Grusev losgeschickt, um festzustellen, wo der Drogenkönig sich aufhielt.
Für dich gestorben?, fragte Grusev. Für dich und jene anderen, von denen ich sprach? Nein, eigentlich nicht. Ich starb, weil ich absolut nichts über dich wusste! Ich war lediglich hier, um Castellanos Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Aber wie dem auch sein mag, mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass sie mich sowieso gefoltert, verstümmelt und ermordet hätten! Das ist schließlich ihre Natur. Also machen wir weiter, denn was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht geändert werden. Aber es kann und muss gerächt werden! Und da du der Einzige bist, der dazu in der Lage ist, und überdies auch noch meinst, du stündest in meiner Schuld, werde ich dich beim Wort nehmen.
Grusev hielt einen Augenblick inne, ehe er fortfuhr: Durch all meine Qualen hindurch – die, glaube ich, irgendwann nachlassen werden, wenn ich sie endlich aus meinem Gedächtnis verdrängt habe – spürte ich deine Nähe, deine Wärme und lauschte auf deine Gedanken. Und ich weiß, dass du Rache nehmen möchtest, sowohl für andere als auch für dich selbst. Ah, aber du hast ja keine Vorstellung, für wieviele andere und auch wie nah sie sind! Oh, sie wahren ihr Schweigen; was würdest du an einem Ort wie diesem auch anderes erwarten? Aber sie haben nichts vergessen, Necroscope, und sie verabscheuen Castellano nicht weniger, nur weil sie schweigen. Dies sage ich dir, damit du weißt, dass du in dieser Sache nicht allein dastehst. Keinesfalls. Ich gebe dir mein Wort darauf, Jake: Wenn du erst einmal loslegst, wirst du nicht allein sein.
Jake glaubte zu verstehen. Grusev konnte ja nur meinen, dass er im Geiste nicht allein wäre – dass alle bisherigen Opfer Castellanos ihn mit ihrer Willenskraft unterstützen würden – aber ihm war ebenfalls klar, dass Willenskraft allein nicht genügen würde.
»Für jede verlässliche Information, die du mir geben kannst«, sagte Jake, »werde ich dankbar sein. Das weißt du.«
Und Georgi Grusev gab ihm Informationen (einige zumindest). Er beschrieb Jake den Grundriss des Anwesens, die weitläufigen Kellergeschosse und weitere Geheimnisse und gab ihm mehrere Koordinaten, die er zu seinem Vorteil verwenden konnte. Doch er verriet ihm nicht alles. Denn hätte er das getan …
… hätte Jake es wahrscheinlich von vornherein bleiben lassen …
In Krassos war es 01:45 Uhr morgens Ortszeit und Ben Trask fror. Oder vielmehr, nach langen, fieberhaften Stunden lähmenden Entsetzens, im Anschluss an das Grauen, eine derartige Nachricht zu erhalten, sie zu begreifen, das Ganze hinzunehmen und schließlich über das Unvorstellbare nachzudenken, war ihm innerlich eiskalt. Seine Erregung hatte sich gelegt. Manolis’ Plan war angelaufen, nun konnte Trask nur noch abwarten und überlegen, sich dies alles noch einmal (allerdings behutsam) durch den Kopf gehen lassen und versuchen, dabei nicht durchzudrehen.
Das Problem mit Millie war schlimm genug – nein, mehr als das, für Trask war es die Hölle auf Erden gewesen – und dann noch das Übrige … es war einfach alles zu viel.
Der Hellseher Ian Goodly war eingesprungen und hatte das Kommando übernommen, nachdem Trask klar geworden war, was die Nachricht aus der Zentrale des E-Dezernats zu bedeuten hatte – die Tatsache, dass der für Millie Cleary abgestellte Sicherheitsbeamte in der Londoner U-Bahn niedergeschlagen worden war und Millie vermisst wurde. Vermisst? Das war nur die halbe Wahrheit, denn tief im Innern wusste Trask, dass Millie sich nun in Lord Szwarts Klauen befand!
Ja, er hatte ein bisschen getobt und sein einziger Gedanke war gewesen, von hier wegzukommen – bloß weg von Krassos und so schnell wie möglich zurück nach England, um sich an der Suche nach Millie zu beteiligen. Doch schließlich war es den übrigen Mitgliedern des Teams gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass es nichts gab, was er tun konnte. Anschließend hatte er, nachdem ihm klar geworden war, dass er nicht länger in der Verfassung war, den Laden zu schmeißen, dem Hellseher die Befehlsgewalt übertragen.
Was auch ganz gut war, das Schlimmste hatte nämlich noch bevorgestanden und auch nicht lange auf sich warten lassen. Und nun ließ Ben Trask vor seinem geistigen Auge alles noch einmal Revue passieren ...
Kurz nach Mitternacht waren sie mit allen drei Fahrzeugen aufgebrochen, um ein letztes
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