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ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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traf sie den furchtbaren Kern der Sache: »Wo … wo bist du!?«
    Ich kümmere mich um meine Angelegenheiten und möchte dabei nicht gestört werden. Ich sprach dich an, weil ich merkte, dass die Furcht in deinem Geist dich umbringen könnte. So ein starker Geist in einem derart schwachen, zur Gänze menschlichen Körper. Ein merkwürdiger Widerspruch, nicht wahr, dass jemand wie du – der Gedanken lesen kann, fast so gut wie ich, auch wenn ich zugeben muss, dass meine Kräfte für einen Großen Vampir allenfalls mittelmäßig sind –, seinen düstersten Ängsten derart hilflos ausgeliefert ist? Ha! Ich nehme an, es ist alles bloß eine Frage der Vorstellungskraft, eh? Oh, ha-ha-haaa! Sein mentales »Lachen« war ohrenbetäubend und die darauf folgende Stille Angst erregend, bis er endlich fortfuhr: Ah, dein niedlicher Menschenkörper ist so zerbrechlich und ich möchte nicht, dass du im Dunkeln blindlings hin und her hastest und womöglich noch von irgendeinem hoch gelegenen Ort hinunterstürzt und dann … keinen Nutzen mehr für mich hast. Was nun die Frage betrifft, wo du dich befindest: an just solch einem hoch gelegenen Ort, und ich rate dir, keine plötzlichen Bewegungen zu machen oder dich allzu weit von deinem Standort zu entfernen.
    Während Szwart seine Zeit darauf verwandt hatte, mit ihr zu »reden«, hatten sich Millies Augen allmählich an die nicht mehr ganz so völlige Finsternis gewöhnt. Als er nun verstummte, war ihr, als nähme sie eine Bewegung wahr: eine undeutlich flackernde Lichtquelle, die in regelmäßigen Abständen verschwand, nur um gleich darauf ein Stückchen näher wieder aufzutauchen. Und noch etwas: Sie vernahm leise Schritte und ein schwaches, keuchendes Atmen.
    Millie lag auf ihrer rechten Seite, auf etwas, das sich anfühlte wie eine alte Matratze. Wenn sie den linken Arm nach vorn streckte, konnte sie mit der Hand den weichen Grund spüren, auf dem die Matratze lag. Sie strengte ihre Augen an, um jenseits der Matratze etwas wahrzunehmen, und sah etwas Festes, Massives, eine dunkle Kante unter der wie schwarzer Samt schimmernden Luft, und dahinter ahnte sie eine gewaltige Leere. Sie lag direkt am Rand eines unterirdischen Abgrundes. Daher also Szwarts Warnung, nicht blindlings hin und her zu hasten oder irgendwelche plötzlichen Bewegungen zu machen.
    Was für ein Ort ist das?, fragte Millie sich, diesmal allerdings darauf bedacht, ihre Gedanken abzuschirmen. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Unterhaltung mit Lord Szwart. Und nun weckte sie ihre alltäglichen Sinne aus ihrer Erstarrung und brachte sie, wenn auch widerstrebend, ins Spiel.
    Es war zwar nicht kalt, aber auch nicht allzu warm; die Temperatur war ausreichend. Hinter ihr lag an einer lotrecht ansteigenden Felswand – so jedenfalls fühlte es sich an – eine zerwühlte Decke, die jemand einfach dorthin geworfen hatte. Einen kurzen Augenblick lang gestattete Millie sich, sie zu berühren, um festzustellen, was es war, doch dann zog sie rasch die Hand wieder zurück. Sie hatte keine Ahnung, wer oder was sich damit zugedeckt hatte.
    Ein Abgrund vor und eine massive Felswand hinter ihr; sie musste auf einem Sims liegen. Doch wie hoch befand sie sich über dem Grund der Kluft? Das Licht (eine Kerze? Ja, wahrscheinlich) war näher gekommen und flackerte nicht mehr ganz so stark, und auch die schlurfenden Schritte und das beinahe asthmatische Keuchen klangen nun näher. Die Kerze befand sich zirka zwei Meter fünfzig unterhalb von Millies Standort auf dem Sims (also musste sie sich gut vier Meter über dem eigentlichen Boden befinden) und schien sich über einen ziemlich ebenen Untergrund zu nähern. Im Augenblick war dies das Einzige, was sie zu sehen oder zu ertasten vermochte.
    Und was das Hören anging: Jedes Geräusch hallte hier nach, dieser Ort hatte ein hervorragendes Echo. Dies stellte sie erst jetzt fest, als sie zum ersten Mal wieder etwas entspannter ausatmete, ohne darauf bedacht zu sein, ja keinen Laut von sich zu geben. Prompt spürte sie ganz bewusst die Luft in ihrer Lunge und merkte, wie sie pfeifend aus ihrem Mund entwich. Das Geräusch wurde um ein Vielfaches verstärkt von der finsteren Höhle zurückgeworfen. Ihr Herzschlag ebenfalls; das Pochen ihres Herzens war wie das stetig wiederkehrende, ferne Dröhnen eines Vorschlaghammers.
    Sie rutschte an den Rand der Matratze, streckte erneut die Hand aus und ließ sie bis an die Stelle gleiten, an der der Boden plötzlich aufhörte. Dabei löste

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