ENTWEIHT
Mal den Palataki und das Kloster zu erkunden. Die ganze Insel wirkte wie ausgestorben. Die meisten Nachsaison-Touristen waren wieder nach Hause geflogen, zurück nach England, Deutschland oder wohin auch immer, und gegen die kleine Handvoll Fischerboote auf dem tintenblauen Meer wirkten die Lichter von Skala Astris verschwindend gering. Ganz so wie eine Geisterstadt aus einem alten Western war Krassos in den letzten vierundzwanzig Stunden zu einer verlassenen Geisterinsel geworden.
In gewisser Hinsicht war dies ganz gut so: Bei dem, was sie heute Abend vorhatten, brauchten sie keine Zuschauer – keine Unbeteiligten, die unschuldig mit hineingezogen werden konnten. Darum war das Timing so wichtig. Denn der Einsatz war für die frühen Morgenstunden geplant, wenn auf Krassos alles tief und fest schlief und nur die Untoten wach waren. Es war wesentlich, dass sie alle auf den Beinen waren und keiner sich in irgendeiner geheimen Gruft oder sonst irgendwo verbarg, wo man ihn womöglich nicht entdecken konnte.
So, wie Goodly es sah – und auch Trask, wenn er sich konzentrieren konnte und nicht gerade einen Wutanfall hatte – hatten Malinari und Vavara sich in eine wunderbare Falle manövriert. Sowohl das Kloster als auch der Palataki standen auf einem das Meer überragenden Felsen, mit jeweils nur einer einzigen Zufahrtsstraße; weitere Ausgänge oder Fluchtwege waren auf den ersten Blick nicht auszumachen. Beide Bauwerke blickten von steil abfallenden Klippen aufs Meer hinaus. Das Kloster war direkt am Abgrund errichtet und auf drei von vier Seiten von tiefem Wasser umschlossen.
Wer die Explosion überlebte, wenn der Laster mit dem Kerosin das Kloster in eine Flammenhölle verwandelte, musste durch das zerstörte Tor, um dem Inferno zu entkommen. Dort würden Trask (sofern er sich der Aufgabe gewachsen fühlte), Manolis, Stavros und Lardis Lidesci die Flüchtigen unter Beschuss nehmen.
Unterdessen sollte Andreas zu der zweiten Einsatzgruppe aufschließen, die aus Goodly, Chung und Liz bestand und dort wartete, wo die Zufahrt zum Palataki abzweigte. Er sollte das gestohlene Dynamit verteilen und ihnen zeigen, wie man damit umging. Anschließend, wenn Manolis ihnen per Handy den Einsatzbefehl gab, sollte der Angriff auf den Kleinen Palast beginnen.
Letzteres würde, so die Planung, wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als die grausige Arbeit im Kloster. Schließlich verfügte der Palataki über ein ausgedehntes System unterirdischer Gänge, und die bewaldeten Hänge der Anhöhe, auf der er stand, gaben jedem Deckung, der vor den Explosionen und dem darauf folgenden Kugelhagel zu fliehen versuchte. Doch mit ein bisschen Glück hätten Manolis und sein Team ihre Aufgabe im Kloster bald erledigt und könnten der zweiten Gruppe zu Hilfe eilen, um den Job im Palataki zu Ende zu bringen.
So hatte der eher schlichte Plan im Wesentlichen ausgesehen. Allerdings war all dies noch Zukunftsmusik gewesen und sollte erst gut zwei Stunden später umgesetzt werden, als die drei Trupps kurz nach Mitternacht mit abgeblendeten Scheinwerfern von den »Christos Appartements« losgefahren waren, zwei von ihnen, um an ihren jeweiligen Zielorten noch ein letztes Mal das Terrain zu sondieren, und der dritte auf einer Diebesmission zum Flughafen und zum Marmorsteinbruch. All dies war nun eine Stunde und fünfundvierzig Minuten her.
Doch was sich seither ereignet hatte, war die reinste Katastrophe!
Während Trask sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen ließ, drehten seine Gedanken sich im Wesentlichen um den einen Punkt, den keiner von ihnen in Betracht gezogen hatte: Zwar hatte das rasch schwindende Touristenaufkommen auf der Insel ihnen ihre Aufgabe scheinbar erleichtert, aber umgekehrt waren sie so ebenfalls leichter zu entdecken gewesen. Denn wenn Vavara und/oder Malinari ahnten, dass sich das E-Dezernat hier befand, war es nun auch sehr einfach geworden, es aufzuspüren, indem sie sich eines simplen Ausschlussverfahrens bedienten. Unter den paar Dutzend Fremden, die noch auf der Insel waren, war die Gruppe um Trask unschwer zu verfehlen.
Aus diesem Grund hätte er um ein Haar einen Nervenzusammenbruch erlitten ...
Weil Liz Telepathin und dies eine nächtliche Erkundungsfahrt war, bei der man damit rechnen musste, dass der Mentalist Malinari aktiv sein würde, hatten sie sie in den »Christos Appartements« zurückgelassen. Zu jeder anderen Zeit hätte der Hellseher Ian Goodly jemanden bei ihr gelassen, nur um auf Nummer
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