Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
über einer Lichtung den Rauch ihrer Feuer aufsteigen sahen, setzte Bernie mich mit den beiden Leibwächtern ab. Die beiden netten Burschen waren Experten in verdeckter Ü…, äh, verdeckter Über…, äh – darin, jemanden zu beobachten, ohne selber gesehen zu werden, verdammt noch mal! – und schienen einfach im Unterholz zu verschwinden. Sie bewegten sich völlig lautlos, wie Mäuse, und scheuchten nicht einen einzigen Vogel in den Bäumen auf, aber ich wusste, dass sie da sein würden, um auf mich achtzugeben. Also ging ich allein, zu Fuß, weiter in das Zigeunerlager.
    Die Blätter an den Bäumen waren ganz braun von dieser schrecklichen Sonne, aber wenigstens lag das Lager im Schatten. Der Rauch stieg aus den Schornsteinrohren der Wohnwagen auf; nur ein Verrückter würde mitten im Wald, wo alles so trocken war wie jetzt, ein Feuer entfachen! Aber ein paar der Szgany waren trotzdem draußen und sahen mich kommen. Natürlich, schließlich wollte ich das ja auch. Ich ließ sogar meine Glöckchen bimmeln, während ich im Halbschatten der verdorrten Bäume näher kam. Und lange, bevor einer von ihnen mich zum ersten Mal ansprach, wussten sie, dass ich ein Szgany bin. Allerdings klimperte bei ihnen … nichts!
    Nun, kein Wunder, schließlich tragen die Tributanten der Wamphyri – und offensichtlich auch ihre Nachkommen – kein Silber. Möglicherweise kann man daraus etwas lernen, Ben. Wenn du in deiner, also in dieser Welt, einen Traveller siehst, der kein Silber trägt, dann kannst du mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass er der Nachkomme eines Abkömmlings irgendeines tributpflichtigen Dieners eines Lords oder einer Lady von der alten Sternseite ist! Wenn du willst, kannst du darauf wetten, und ich glaube nicht, dass du verlieren würdest. Alte Gewohnheiten legt man eben nicht so leicht ab.
    Aber was auch ihre Gebräuche sein mochten, das Silber an mir fiel ihnen anscheinend nicht auf, obwohl ich dazu sagen sollte, dass wir einander weder die Hände schüttelten noch uns die Unterarme reichten. Vielleicht gebrauchen sie Silber ja nur, wenn es um Geld geht, oder dafür, es den Toten bei der Beerdigung auf die Augen zu legen …
    Jedenfalls war ich zumindest ein Szgany; weder schreckten sie vor mir zurück noch betrachteten sie mich als Außenstehenden. Ich bat sie darum, mich zu ihrem Stammesoberhaupt zu führen, und wurde zu einem vielfach lackierten Wagen gebracht. Ihr Häuptling war ein alter, uralter Mann. Und falls die mich für alt halten sollten – er war vorneweg fünfzehn Jahre älter!
    Er hatte dunkle, ledrige Haut und in seinem Mund glitzerte ein Goldzahn. Die Muschel seines haarigen rechten Ohres zierte ein schlichter Goldreif, und an den knorrigen Fingern trug er goldene Ringe.
    Nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte, schien er davon überzeugt, dass ich tatsächlich ein Szgany war. Er nickte, und der Zigeuner, der mich zu ihm geführt hatte, ließ mich mit ihm allein. Dann fragte er mich: ›Was führt dich hierher? Gibt es etwas, was du mir sagen möchtest? Bist du ein Bote? Denn ich spüre, dass du von weit, weit her kommst.‹
    ›Ich habe keine Botschaft‹, erwiderte ich. ›Ich bin bloß ein Wanderer – so wie du und deine Leute Wanderer seid – aber ich komme in der Tat von sehr weit her. Auf was für eine Botschaft wartest du denn?‹
    Hatte er anfangs gespannt gewirkt, voller Erwartung, so verfiel er nun in Schweigen und murmelte vor sich hin: ›Keine Nachricht. Ah, keine Botschaft für den alten Vladi!‹ – Doch schon im nächsten Moment hellte sich sein Gesicht wieder auf. ›Dann bist du ja vielleicht selber so etwas wie eine Botschaft!‹
    ›Wie denn das?‹, wollte ich wissen.
    Aber er legte nur den Kopf schief und zwinkerte mir zu: ›Meine Aufgabe besteht darin, es zu wissen, und deine darin, zu antworten!‹
    Ich zuckte die Achseln. ›Dann stell mir deine Fragen, und wenn ich die Antworten weiß, werde ich sie dir geben!‹
    ›Hmm!‹ Er nickte bedächtig und schwieg eine Zeit lang. Hinter seinem runzligen Gesicht arbeitete es, so als ginge ihm etwas durch seinen alten, weißhaarigen Kopf. Doch mit einem Mal blickte er wieder auf. ›Es gibt schon sehr, sehr seltsame Orte auf der Welt‹, sagte er, seine Stimme ein trockenes Rascheln, so als rausche ein Luftzug durch totes Laub. ›Findest du nicht auch?‹
    ›Ja, ziemlich viele!‹, entgegnete ich. ›Unermessliche Wüsten, gewaltige Ozeane und Berge, die bis zum Himmel reichen. Aber ich glaube nicht,

Weitere Kostenlose Bücher