ENTWEIHT
nicht störtest? Das war es. Das war alles. Meine Gesellschaft, jemand, mit dem du reden könntest. Allerdings nicht sehr oft, nur ganz selten, wenn ich nichts zu tun habe. Doch seit einer Woche gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf ... und zwar im wahrsten Sinne des Wortes! Du treibst mich beinahe in den Wahnsinn! Weißt du, was Ben Trask und seine Leute mit mir anstellen würden, wenn sie von dir erführen? Nun, ich auch nicht – aber ich kann es mir verdammt gut vorstellen! Ich würde ihm sogar zutrauen, dass er mir eine Pistole an den Kopf hält und mir das Hirn wegpustet! Und ich glaube nicht, dass jemand ihm daraus einen Vorwurf machen würde.«
Aber sie wissen es ja nicht, entgegnete Korath. Und sie brauchen auch nichts davon zu erfahren, solange du die Nerven behältst. Außerdem ...
»... Lass mich ausreden!«, schnitt Jake ihm das Wort ab. »Also, zum einen bringst du mich in Gefahr und damit dich ebenfalls, was eigentlich nur reine Dummheit von dir sein kann. Ohne mich bist du nichts, eine Handvoll wasserumspülter Knochen in einer unterirdischen Senkgrube, das sagtest du selbst. Was auch immer mir zustoßen sollte, trifft auch dich. Wenn ich nicht mehr bin, wirst du nämlich niemanden mehr haben, mit dem du reden kannst, ganz gleich ob ›nicht sehr oft‹ oder ›ganz selten‹!«
Aber das weiß ich doch ebenso gut wie du, widersprach Korath. Es geht mir doch einzig darum, dich – uns, wenn dir das lieber ist – zu schützen. Deshalb halte ich unbeirrt an dir fest, wo andere dich schon längst hätten fallen lassen.
»Und was du mir angeblich gegeben hast«, fuhr Jake fort, ohne auf Koraths Worte einzugehen, »wovon redest du überhaupt? Du hast mir nichts gegeben!«
Dein Leben, das Leben deiner Freunde und einer Frau, die du liebst?
Das konnte Jake wohl kaum bestreiten. Darum versuchte er es erst gar nicht, sondern erwiderte: »Das ist doch alles ein und dasselbe. Wäre ich gestorben, dann wäre es mit dir ebenfalls aus gewesen.«
Keineswegs, gurgelte Korath in Jakes Geist. Ich bin nämlich bereits tot. Aber, ja, ich weiß doch, wovon du redest. Diese Gabe, die du so sehr begehrst – ich gebe ja zu, dass sie Teil unserer Abmachung war – ist jener Ort der Ur-Finsternis, das Nichts, das zwischen den Orten existiert, die wir kennen, das Möbiuskontinuum. Habe ich recht?
»Ja, genau«, sagte Jake mit einem Nicken, »und du weißt es. Du versprachst, mir die Zahlen zu geben, Harry Keoghs Formeln, die Möglichkeit, mich auf seinem Möbiusband fortzubewegen.«
Und habe ich mein Versprechen etwa nicht gehalten? Korath schien überrascht, wenn nicht verletzt. Was wirfst du mir eigentlich vor? Nicht ein-, nicht zwei- und nicht drei-, sondern gleich viermal gab ich dir den Schlüssel zum Möbiuskontinuum! Ansonsten wärst du jetzt tot. Das kannst du nicht leugnen!
»Stimmt!«, sagte Jake. »Noch nicht einmal wenn ich in Wortspielen so geübt wäre wie du, würde ich dies bestreiten. Aber was ist das denn für eine Gabe, die ich nicht einsetzen kann, es sei denn, ich habe dich im Schlepptau? Dann gehört sie doch bloß zur Hälfte mir.«
Ist es etwa meine Schuld, dass du nicht mit Zahlen umgehen kannst?, kicherte Korath – es klang wie Gasblasen, die aus einem Sumpf aufsteigen –, nur um im nächsten Moment wieder ernst zu werden. Selbstverständlich gehört sie bloß zur Hälfte dir!, fuhr er Jake an. Denn ohne mich hast du keine Formeln, und ohne dich vermag ich mich nirgendwohin zu begeben. Hah! Und das Wenige, das ich davon habe, ist geborgt!
»Aber ich muss in der Lage sein, mich des Kontinuums aus eigenem, freiem Willen zu bedienen«, widersprach Jake, »ohne dich ständig um Hilfe bitten zu müssen.«
Gut! Da stimme ich dir zu!, sagte Korath. Aus eigenem, freiem Willen. Ja, natürlich, das ist sehr wichtig. Also, hier ist die Formel! Ich gebe sie dir!
Prompt – so schnell, dass Jake vollkommen davon überrascht wurde – ratterten vor seinem (beziehungsweise Koraths) geistigen Auge Möbiusgleichungen vorüber. Ein geordneter Zug sich auseinanderentwickelnder Rechenaufgaben und sich stetig verändernder algebraischer Zeichen und Symbole. Es war, als offenbare sich auf einem gigantischen Computermonitor die Lösung eines mathematischen Problems von enormen Ausmaßen.
Doch war Jake auch zuvor schon so weit gelangt, ein halbes Dutzend Mal und öfter, zunächst mit dem Necroscope Harry Keogh und nun mit Korath. Die unheimliche Zahlenfolge verwirrte ihn immer noch genauso sehr wie beim
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