Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
mir zu warten, doch seltsamerweise wollte ich gar nicht mehr dazu wissen. Für heute reichte es mir mit Enthüllungen über David. Ich hatte langsam genug. Ich seufzte ebenfalls und sah ihn fragend an. „Na, gut, also was tun wir bezüglich dieses Typen?“
David wirkte überrascht, dass ich es bei seiner lapidaren Erklärung beließ, doch er schien erleichtert darüber. „Halte du dich nur von der besagten Straße fern und achte auf deine Umgebung, wenn du abends alleine unterwegs bist. Meide abgelegene Wege. Um den Rest kümmere ich mich.“ Er wirkte wieder so selbstsicher wie eh und je, als er das sagte. „Und es würde helfen, wenn du mich nicht mehr als deinen persönlichen Staatsfeind Nummer Eins betrachten würdest, denn falls es doch nötig sein sollte, wäre es besser, wenn du meinen Anweisungen folgen würdest.“
Ich musste ihn daraufhin sehr widerwillig angesehen haben, denn er stöhnte laut auf. „Ach, komm schon, Josephine! Bist du immer noch der Meinung, ich würde dir Böses antun wollen?“
Ich zögerte wohl etwas zu lange mit meiner Antwort, denn er schnaubte ärgerlich und stand vom Sofa auf. Er ging wieder zum Fenster, steckte die Hände in seine Anzughose und sah hinaus. Da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte, blieb ich stumm und eine Weile stand das Schweigen wie eine angespannte Erwartung zwischen uns. Bis David schließlich mit enttäuschter Stimme sprach.
„Du meintest das also Ernst, heute Morgen, von wegen, du wirst mir nie vertrauen.“ Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung. Die ich nicht entkräftigen konnte, selbst wenn ich es in diesem Moment gewollt hätte. Aber da stand einfach zu viel Unausgesprochenes zwischen uns, als dass ich David wirklich hätte vertrauen können. Ich traute mir ja gerade selbst kaum. Aber die Enttäuschung in seiner Stimme erzeugte ein seltsames Gefühl in meinem Inneren und ich hatte erneut das Verlangen, das zwischen uns zu klären.
„Ich tue mir prinzipiell schwe r damit, anderen zu vertrauen. Ich habe immer das Gefühl, anders zu sein, und das macht es mir nicht leicht, mich anderen anzunähern.“
David drehte sich zu mir um. „Du bist ja auch anders.“ Er sagte das, als wäre es etwas Gutes. Bevor ich etwas erwidern konnte, fuhr er fort. „Du hast sofort erkannt, dass ich nicht so wie die anderen bin.“ Ein ironisches Lächeln flog über sein Gesicht. „Dass ich zu verschwiegen bin und damit etwas verbergen würde“, wiederholte er die Worte, die ich Marianne gegenüber gewählt hatte, als sie mir mal wieder von den Vorzügen Davids vorgeschwärmt hatte.
Auch darauf fiel mir kein passender Kommentar ein, es stimmte ja. Also sah ich ihn nur weiterhin schweigend an. Davids Blick wurde abschätzend. „Wie gehst du denn nun mit meinem Geheimnis um?“
Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht . Ich hatte in letzter Zeit viele Geheimnisse für mich zu behalten. „Ich weiß nicht“, gab ich zu und musterte ihn skeptisch. „Du wirkst nicht sonderlich besorgt darüber, dass ich es weiß.“
Über Da vids Gesicht zog ein feines Lächeln. „Bin ich auch nicht.“
Ich kniff die Augen zusammen. „ Ah! Du machst dir keine Sorgen, weil du denkst, keiner würde mir glauben, wenn ich es herumerzählen würde, richtig?“ Bitterkeit stieg in mir hoch und ich machte eine abwertende Handbewegung. „Ich bin ja nur dieses seltsame Mädchen, das keine Freunde hat, sich immer hinter ihren Büchern versteckt und nicht in diese Welt zu passen scheint. Man würde mich bedenkenlos als verrückt abstempeln, würde ich behaupten, du könntest Gedanken lesen.“ Wüsste meine Umgebung erst von den vielen anderen Dingen, die ich zur Zeit noch so erlebte, würden sie wahrscheinlich ganz schnell die großen rosa Pillen zücken und mich für Lebzeiten hinter feste Mauern stecken. Allein bei der Vorstellung schüttelte es mich.
D avid seufzte auf. „Du neigst zu Theatralik. Nur weil du die Welt anders wahrnimmst, bist du nicht verrückt. Aber es würde dir tatsächlich keiner glauben, weil ich es nicht darauf anlege, dass es jemandem auffällt. Ohne deine mangelnde Selbstachtung damit weiter anheizen zu wollen, aber selbst wenn du einen finden solltest, der gewillt ist, dir zu glauben, du kannst mir nichts nachweisen.“ Sein Blick verdeutlichte, wie sicher er sich diesbezüglich fühlte.
Und das konnte er auch. Denn ich würde keinem davon erzählen. Allerdings hatte das weniger mit meiner mangelnden Selbstachtung
Weitere Kostenlose Bücher