Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
dem Schluss gekommen, dass ich es nicht tue.“ Finstere Entschlossenheit lag nun in seinen Zügen. „Eigentlich hatte ich beschlossen, dir das alles gar nicht zu erzählen und dich in Ruhe zu lassen. Ich dachte, vielleicht schaffst du es irgendwie mit deinen Empfindungen klar zu kommen, ohne dass es irgendjemandem auffällt, immerhin hast du achtzehn Jahre lang unerkannt gelebt. Aber als du vorhin hier aufgetaucht bist und so verstört aussahst, da wusste ich, es ist etwas passiert und ich musste dir alles erzählen. Damit du eine Chance hast.“
„Vor dir zu fliehen?“
David schüttelte bestimmt den Kopf. „Ich werde dir nichts tun, Josephine. Das gelobe ich dir beim Namen all meiner Vorväter und allem was mir heilig ist.“ Sein Blick war ernst, fast ehrfürchtig, aber wie konnte ich ihm das abnehmen?
„Ja, klar. Woher soll ich wissen, was dir heilig ist. Du hast eben gesagt, dein Volk wünscht meinen Tod, also werde ich dir wohl kaum trauen.“ Auch wenn mich Verzweiflung bei dem Gedanken überfiel, schon wieder alleine zu sein, kaum, dass ich jemanden gefunden hatte, dem ich mich anvertrauen konnte.
David seufzte. „Ich kann dein Misstrauen verstehen. Du solltest sogar misstrauisch sein. Aber Josephine, ich kann dir helfen. Ich bin genau genommen so ziemlich der Einzige, der dir helfen kann.“
Ich schnaubte auf. „Ich soll misstrauisch sein, dir abe r gleichzeitig trauen? Bisschen widersprüchlich, oder?“
„D ir wird nichts anderes übrig bleiben. Du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast.“
„Ich kenne dich. Ich kann es erahnen“, gab ich aufmüpfig zurück.
„Josephine, nimm Vernunft an. Ich bin bereit, dir zu helfen. Du solltest das nutzen. Dieses Angebot ist einmalig.“
„Ja. Einmalig. Weil du es ausnutzen wirst, um mich um die Ecke zu bringen. Für wie dumm hältst du mich?“ Ich funkelte ihn wütend an.
„Ich halte dich für sehr intelligent. Deswegen will ich dir ja helfen. Wärst du ein rücksichtsloses Monster, würde ich nicht lange zögern.“ Seine Worte klangen hart. Unnachgiebig. Nachdrücklich. Sie zeigten mir wieder den wahren David. Den, der sich selbst am Nächsten stand. Der überhebliche Mann von Welt, dem niemand das Wasser reichen konnte.
Doch ich hatte ihm schon einmal die Stirn geboten, ich würde es wieder tun. „Na, wenn du dich da mal nicht überschätzt. Vielleicht bin ich ja ein intelligentes rücksichtsloses Monster.“ Ich schenkte ihm ein zynisches Lächeln. Auch wenn die Erwähnung, dass ich ein Monster sein könnte, mich vor mir selbst zurückschrecken ließ.
„Du bist kein Monster, Josephine. Auch wenn du vielleicht die Veranlagung dazu hast, in dir steckt auch eine tief verwurzelte Moral. Vielleicht dank deiner menschlichen Erziehung. Vielleicht aber auch, weil du ein weibliches Mischwesen bist. Ich glaube, du kannst mit beiden Wesen in dir leben, wenn du dir ihrer erst mal richtig bewusst wirst und sie zu beherrschen lernst.“
„Mir ihrer bewusst werde“, wiederholte ich ungläubig. „Das kann doch alles nicht wahr sein!“ Ich ließ mich auf das Sofa fallen. Meine bisher schon äußerst verschrobene Wirklichkeit kam mir noch surrealer vor und ich schwankte zwischen der Entscheidung, einfach wimmernd zusammenzubrechen und David den Rest zu überlassen oder alles zu verneinen und wegzulaufen und zwar ganz weit weg und alles hinter mir zu lassen. Vor allem David. „An allem bist nur du Schuld“, brach es aufgebracht aus mir heraus. „Bevor ich dir begegnet bin, war mein Leben normal. Nun, zumindest war es okay. Und dann tauchst du auf und …“, ich schüttelte erschüttert den Kopf, „Und behauptest, ich wäre ein menschenfremdes Zwitterwesen. Etwas, was es gar nicht geben dürfte. Etwas, das man töten muss.“
David schwieg. Betrachtete mich nur nachdenklich. Was ich nicht sonderlich erbauend fand. Ich schüttelte erneut den Kopf. „Das kann alles nicht wahr sein“, wiederholte ich. Diesmal allerdings eher verzweifelt. Davids stoische Ruhe zerrte an meinem Nervenkostüm.
„Ich befürchte schon“, war sein wenig hilfreicher Kommentar.
Mir fiel ein, was er vorhin Seltsames gesagt hatte. „Wieso sollte der Umstand, dass ich ein weibliches Mischwesen bin, etwas an meiner Monstrosität ändern?“
David zwickte unwillig die Augen zusammen und ich dachte schon, er wollte mir nicht antworten. „Weil die weiblichen Wesen beider Spezies nicht zu Gewalttaten neigen“, verkündete er schließlich zögerlich. „Sie sind eher …
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