Envy-[Neid]
schlimm. Schwierig war nur, die hysterische Maris zu bändigen.«
»War’s denn nicht natürlich, dass sie verstört war?«
»Ihr Benehmen hat jede normale Trauer überstiegen.« Sie unterbrach ihre Federstudie und schaute ihn an.
»Meine Frau hat sich in die haarsträubende Idee verrannt, ich sei für den Sturz ihres Vaters verantwortlich.« Am Schleier vorbei schaute er Nadia in die Augen. »Kannst du dir das vorstellen?«
Sie hob ihr Martiniglas an die Lippen. »Ja, kann ich.«
Ihr unverwandter Blick wirkte ein wenig entnervend. Er verstand sie bewusst falsch. »Maris war schon immer leicht erregbar und neigt zu Kurzschlusshandlungen, aber diesmal hat sie übertrieben.«
»Während der Beerdigung wirkte sie wie ein Muster an Gefasstheit.«
»Stimmt, aber kaum war das vorbei, verlor sie restlos den Verstand. Sie hat die Ortspolizei in Massachusetts tatsächlich genötigt, die Ermittlungen erneut aufzunehmen.«
»Und?«
»Natürlich wurde nichts gefunden, was ihren Verdacht untermauern könnte.«
»Glück für dich.«
»Mit Glück hat das nichts zu tun, Nadia.«
»Davon bin ich überzeugt.« Sie starrte über die Köpfe der Menge und sprach fast für sich. »Solltest du den alten Herrn die Treppe hinuntergestoßen haben, wärst du gerissen genug, dich dabei nicht erwischen zu lassen.«
»Das habe ich nicht. Trotzdem hast du Recht. Ich wäre gerissen genug, mich nicht dabei erwischen zu lassen. Und deshalb magst du mich auch so gern.«
Sie drehte sich wieder zu ihm. »Stimmt. Ich würde mich nie mit einem Verlierer einlassen. Ich würde mich an keinen sinkenden Stern hängen, nur an einen aufsteigenden.«
»Wir sind uns so ähnlich, dass es schon erschreckend ist.« Er beugte sich näher zu ihr und fügte vertraulich hinzu: »Zumindest sollte es alle Übrigen erschrecken.« Selbstzufrieden nippte er wieder an seinem Martini.
»Jedenfalls ist Daniel tot und begraben. Und das ist die gute Nachricht.«
»Noah, um Himmels willen.« Sie schaute sich verstohlen um, als befürchtete sie, man hätte ihn belauscht. »Und wie lautet die schlechte?«
»Keine schlechte, Liebling, sogar eine noch bessere. Sein Tod war der letzte Nagel zum Sarg meiner Ehe. Die lässt sich jetzt nicht mehr reparieren.«
Sie hob ihr Glas zu einem Toast auf ihn. »Gratulation? Oder Beileid?«
»Definitiv Ersteres. Weil ich sogar noch bessere Neuigkeiten habe.«
»Ich kann’s kaum erwarten.«
»Bist du sicher, dass ich es dir hier und jetzt erzählen soll? Es könnte zum Orgasmus führen.«
»Hast du je erlebt, dass ich eine solche Gelegenheit ausschlage?«
Er lächelte noch breiter. »Vor seinem unglücklichen Sturz habe ich Daniel zur Unterschrift unter eine wichtige Generalvollmacht überreden können. Sie befähigt mich, Matherly Press an WorldView zu verkaufen, ohne dass Maris auch nur das Geringste dagegen tun kann.«
Verblüfft riss Nadia die Augen auf. »Aber Matherly Press gehört dir doch gar nicht.«
»Nadia! Da bist du!« Plötzlich tauchte Morris Blume auf der anderen Seite des Tisches auf.
Noah hatte ihn weder näher kommen sehen, noch schätzte er diese Störung. Für den heutigen Abend hatte er geplant, sich bei Nadia mit Wein, einem guten Essen und viel Romantik wieder einzuschmeicheln. Vor dem nächsten Schritt mit WorldView wollte er sie fest auf seiner Seite wissen. Er brauchte gute Presse, und die konnte niemand besser liefern als Nadia.
Gottverdammtes Pech, ausgerechnet Morris Blume! Im grauen Anzug mit grauem Hemd und Silberkrawatte wirkte der Vorstand von WorldView so farblos wie immer. Noah hatte den Eindruck, sogar seine Zähne und sein Zahnfleisch sähen ungesund grau aus, als er auf sie herablächelte.
»Zuerst habe ich dich nicht gesehen. Ich dachte schon, mit dem Termin sei etwas schiefgelaufen«, sagte er zu Nadia.
»Du hättest zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können.«
Sie schoss hinter dem Tisch hervor, direkt in Blumes Arme. Noah war bestürzt. Ihre Lippen fanden sich. Am Ende des Kusses rückte sie ihm liebevoll die Krawatte zurecht.
Blume musterte sie vom Hut bis zu den hohen Absätzen.
»Du siehst absolut hinreißend aus.«
»Freut mich, dass du das findest. Insgeheim habe ich dieses Ensemble nur für dich gekauft.«
»Sensationell.«
Sein Kompliment entlockte ihr einen koketten Laut, der ganz und gar untypisch für Nadia war. Blume streichelte ihre Taille mit aufreizender Vertrautheit. Ihr Becken neigte sich zu seinem, eine ihrer Spezialitäten. Dabei hatte ein Mann nur
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