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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Er versuchte vergeblich, seinen Worten einen scherzhaften oder wenigstens versöhnlichen Klang zu verleihen. Vielleicht hätte jeder andere von der Situation erwartet, daß Mergell und er nun plötzlich zu Freunden geworden oder wenigstens ihre offene Feindschaft vergessen hätten, aber das war nicht so. Er mochte Mergell weniger denn je, und Mergells Gefühle ihm gegenüber schienen ähnlicher Natur zu sein.
    »Du wirst Ipcearn verlassen«, stellte Mergell fest.
    Skar nickte. »So rasch wie möglich. Meine Aufgabe hier ist beendet. Ich hoffe, ihr wart zufrieden mit mir.«
    Mergells Stimme klang plötzlich verändert, beinahe sanft. »Es muß sehr schwer für einen Mann wie dich gewesen sein, so zu handeln«, sagte er plötzlich. Skar wandte sich um, lehnte sich gegen den Fenstersims und musterte ihn kühl. »Wie kommst du darauf?« fragte er. »Ich bin es gewohnt zu kämpfen, und es war nicht der erste Kampf, den ich verloren habe.«
    »Aber der erste, den du absichtlich verloren hast«, sagte Mergell.
    »Verloren?« Skar lachte leise. »Was bedeutet das schon, Mergell? Was heißt überhaupt verloren? Wer von uns ist der Sieger in diesem Kampf? Du siehst aus, als wärst du mehr tot als lebendig, und du wirst wahrscheinlich noch auf Wochen hinaus jeden einzelnen Hieb spüren, den ich dir versetzt habe. Und du weißt, daß ich dich absichtlich gewinnen ließ. Die anderen mögen denken, daß du mich wirklich bezwungen hast, Mergell, aber du und ich, wir beide wissen, wie es wirklich war. Du wirst es nie zugeben, aber die Demütigung, die ich dir beigebracht habe, ist größer, als hättest du wirklich verloren. Wenn ich du wäre, würde ich mich hassen, Mergell. Und ich habe erreicht, was ich wollte. Es lag nie in meiner Absicht hierzubleiben. Der Sieger in diesem Kampf war ich, Mergell. Ich habe mein Ziel erreicht, du nicht.«
    Mergell schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und wandte sich mit einem Ruck ab. Er war blaß geworden. »Ich soll dir etwas von Seshar ausrichten«, murmelte er tonlos. »Er läßt dir danken für das, was du getan hast. Wenn du… irgendeinen Wunsch hast, so wird er dir erfüllt.«
    »Den habe ich«, sagte Skar. »Nämlich hier wegzukommen, so rasch wie möglich. Gebt mir ein Pferd, damit ich zurück nach Went reiten kann.«
    »Du wirst bis morgen warten müssen. Es ist schon zu spät, um Went noch vor Sonnenuntergang zu erreichen.«
    »Das ist mein Problem«, sagte Skar rüde. »Ein einzelner Mann kann wohl in der Dunkelheit kaum so auffallen wie eine ganze Truppe. Und wenn ich einem Hoger zum Opfer falle, so seid ihr alle Sorgen los.«
    »Du würdest die Könige beleidigen, wenn du jetzt gingst.«
    Skar lachte. »Ein passender Abschluß für meine kleine Vorstellung, findest du nicht? Gebt mir ein Pferd.«
    Mergell nickte. »Wie du willst. Vielleicht ist es wirklich am besten so. Aber wenn, dann mußt du sofort aufbrechen, sonst wird es zu spät. Ich gebe dir zwei Reiter als Geleit mit.«
    »Die brauche ich nicht. Allein bin ich schneller.«
    Mergell schüttelte den Kopf. »Du würdest den Weg nicht finden oder in irgendeiner Falle umkommen, Skar«, sagte er ruhig. »Ich suche die schnellsten Reiter aus meiner Garde heraus. Kurz nach Sonnenuntergang bist du in Went. Grüße Logar von mir.« Er nickte, wandte sich vollends ab und ging mit raschen Schritten zur Tür.

Der Wald lag wie eine kompakte schwarze Masse vor ihnen. Das dumpfe Dröhnen der Pferdehufe begleitete sie seit Stunden in monotonem Gleichklang, aber mit jeder Meile, die sie weiter nach Westen kamen, mehrten sich die Momente, in denen das hämmernde Stakkato aus dem Rhythmus geriet und die Atemzüge der Tiere plötzlich mühsam und hektisch wurden. Skar wußte, daß die Pferde das mörderische Tempo nicht mehr lange würden durchhalten können, aber seine beiden Begleiter schienen nicht gewillt, ihre Geschwindigkeit auch nur für einen Augenblick herabzusetzen. Sie hatten Angst, offene, panische Angst, die wie die Spuren eines schleichenden Giftes in ihre Gesichter gegraben war, und selbst Skar war nicht mehr so ruhig, wie er es gerne gewesen wäre. Der Himmel über dem Wald war leer, und sie hatten weder am Tage noch nach Einbruch der Dämmerung auch nur die Spur eines Hogers gesehen, aber er hatte schon einmal erlebt, wie rasch diese Bestien auftauchen und zuschlagen konnten. Und die Hoger waren nicht die einzige Gefahr. Er spürte, daß Cearn noch ein anderes, vielleicht schrecklicheres

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