Enwor 1 - Der wandernde Wald
nicht mit Gift, sondern fressen ihr Bewußtsein. Seelen-Vampire, wenn du so willst. Für einen Moment war mein Bewußtsein mit dem des
Khtaäm
verschmolzen, und wenn Thoranda mir nicht geholfen hätte, hätte das Ungeheuer meinen Geist aufgesaugt wie die Wüste einen Wassertropfen. Was ich in diesem Moment gesehen habe, war die Erinnerung an seinen Geburtsort, den Platz, an dem es erschaffen wurde und zu dem es wieder zurückkehren wollte.
»Natürlich«, fuhr er nach einer kurzen, erschöpften Pause fort, »ist das nur eine Theorie. Ich kann mich täuschen. Vielleicht ist es in Wirklichkeit ganz, ganz anders. Aber ich glaube, daß sie hierher zurückkommen, um sich fortzupflanzen. Vielleicht spinnen sie sich wie Raupen ein, um als Hoger wieder aufzuwachen.
Vielleicht spielt auch dieses schwarze Zeug eine Rolle. Ich bin sicher, wir würden ihr Geheimnis lüften, wenn wir die Zeit hätten, länger hierzubleiben und sie zu beobachten.«
»Wenn du recht hast«, murmelte Coar nach einer Weile, »dann können wir sie besiegen, Skar. Wir können sie töten, wenn sie den Wald verlassen und durch die Wüste ziehen.«
»Sie sind immer noch gefährlich«, wandte Skar ein. »Wir haben bereits einen Mann verloren, vergiß das nicht.«
»Aus Unwissenheit«, entgegnete Coar. »Hätten wir geahnt, was sich unter dem Sand verbirgt, wäre es nicht dazu gekommen. Wirklich gefährlich sind sie nur dort, wo sie sich verbergen und aus dem Hinterhalt angreifen können, wie im Wald. In der offenen Wüste können wir sie ohne großes Risiko töten. Wenn deine Vermutung stimmt«, schloß sie, »dann war Cornec das letzte Kind, das von einem Hoger gerissen wurde.«
»Aber dazu müssen wir erst einmal hier herauskommen«, sagte eine Stimme hinter ihr. Skar sah auf und erkannte Bernec, der lautlos herangetreten war und einen Teil ihrer Unterhaltung mit angehört hatte. Er lächelte flüchtig, ließ sich neben Coar auf den Boden sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich war mit Behren ein Stück weit in der Höhle«, erklärte er. »Aber es sieht nicht gut aus. Ich fürchte, die Gänge führen alle in die gleiche Richtung. Nach unten.«
»Wenn es nicht anders geht«, sagte Coar, »müssen wir es riskieren. Wenn wir flußaufwärts gehen, müssen wir früher oder später nach Cearn zurückkommen. Es muß eine Verbindung zur Oberfläche geben.«
Bernec lächelte traurig. »Sicher. Aber bis wir sie gefunden haben, sind wir längst verhungert oder den Hogern zum Opfer gefallen. Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl, als es noch einmal dort oben zu versuchen.« Er senkte den Kopf, starrte niedergeschlagen zu Boden und spielte mit den nackten Zehen im losen Erdreich. »Wir werden schlafen und es anschließend noch einmal versuchen.
Wenn Seshars Männer wirklich dort oben auf uns gewartet haben, sind sie jetzt entweder den
Khtaäm
zum Opfer gefallen oder geflohen und halten uns für tot.« Er sah auf, lächelte flüchtig und betrachtete Skar mit einem seltsamen, abschätzenden Blick. »Ohne dich wären wir es auch«, sagte er.
Skar winkte ab. »Vielleicht«, sagte er. »Aber vielleicht wärt ihr ohne mich auch nie in diese Situation geraten. Wir können uns später gegenseitig beglückwünschen oder Vorwürfe machen. Im Moment müssen wir hier heraus, das ist alles.« Er ließ sich auf die Ellbogen zurücksinken und seufzte hörbar. »Ich habe schon fast vergessen, wie Tageslicht aussieht«, murmelte er.
Bernec lachte leise und stand umständlich auf. »Ruh dich aus«, sagte er. »Ich lasse dich wecken, wenn wir aufbrechen. Versuch jetzt zu schlafen. Wir werden morgen unsere Kräfte brauchen.« Er nickte noch einmal, fuhr dann auf dem Absatz herum und ging mit schnellen Schritten zum Feuer zurück. Seine Gestalt verschmolz mit den dunklen Schatten der anderen.
Skar starrte ihm lange und nachdenklich hinterher. Schließlich richtete er sich wieder auf, hob die Hand und berührte Coar scheu am Arm. »Weiß er…?« begann er leise.
»Er weiß, wie es zwischen uns steht«, flüsterte Coar. Sie ergriff seine Hand, führte sie an ihre Lippen und küßte sie. »Er weiß es, und es macht ihm nichts aus.« Plötzlich war ihm ihre Berührung unangenehm. Er zog die Finger zurück und gab ein leises, unglückliches Geräusch von sich. Obwohl er sich Mühe gab, gelang es ihm nicht, ihrem Blick standzuhalten.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, erklärte Coar geduldig. »Er duldet es nicht nur, weil er weiß, daß du früher oder
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