Enwor 1 - Der wandernde Wald
entzündet war. Del würde den Arm verlieren, wenn er nicht schnell zu einem Heilkundigen kam. Vielleicht würde er sogar sterben.
Er tauchte den schmutzigen Lappen, der ihm als Verband diente, ins Wasser, versuchte vergeblich, den gröbsten Schmutz herauszuwaschen, und träufelte schließlich eine Handvoll der braunen, übelriechenden Brühe auf die Wunde. Der Anblick des schlammigen Wassers hätte jedem, der das Wort Hygiene auch nur vom Hörensagen kannte, die Haare zu Berge stehen lassen. Aber es war das Beste, was sie hatten. Und die Wunde war bereits so stark entzündet, wie es nur ging.
Del verzog das Gesicht. »Willst du mich umbringen?«
Skar grinste. »Stell dich nicht so an. Vor ein paar Stunden hättest du mir für einen Schluck Wasser noch kalilächelnd die Kehle durchgeschnitten, und jetzt beklagst du dich.« Er schüttelte den Kopf, tauchte den Verband abermals unter und legte ihn dann so behutsam wie möglich auf die Wunde. Del stöhnte leise.
»Das ist zwar alles andere als gut«, murmelte Skar, als er fertig war, »aber immer noch besser als nichts. Für dich wird es reichen«, fügte er scherzhaft hinzu.
Del richtete sich schwerfällig auf den rechten Ellbogen auf und verrenkte sich halbwegs das Genick, um Skars Werk zu begutachten. »Du hättest Heilkundiger werden sollen«, meinte er nach einem prüfenden Blick. »Auf diese Weise hättest du mindestens ebenso viele Leute umbringen können wie jetzt. Vielleicht sogar mehr.« Er versuchte aufzustehen, aber Skar schob ihn mit sanfter Gewalt zurück. »Bleib liegen. Du bist noch lange nicht kräftig genug, um aufzustehen.«
Del grinste schief. »Soll ich dir beweisen, wie stark ich bin, alter Mann?«
Skar seufzte. »Lieber nicht. Du könntest dir weh tun, weißt du.« Er lächelte, erhob sich in die Hocke und stützte die Hände auf den Oberschenkeln auf. »Ich möchte wissen, welche Sünden meine Vorfahren auf sich geladen haben, daß ich mit dir bestraft wurde«, sagte er weinerlich. »Die Welt ist ungerecht.« Er stemmte sich ächzend hoch, reckte sich ausgiebig und ging dann steifbeinig zum Waldrand hinüber. Er war nackt wie Del. Sie hatten ihre Kleider zum Trocknen ausgebreitet, aber in der schwülwarmen Luft schienen sie fast noch feuchter geworden zu sein. Skar betrachtete die zerschlissenen Fetzen voller Abscheu. Die schmal geschnittenen, knielangen Hosen, die zusammen mit den hüftlangen Umhängen und der breiten, bestickten Schärpe — dem einzig wirklich auffallenden Kleidungsstück eines Satai — ihren gesamten Besitz darstellten, wenn man von ihren Waffen und den wuchtigen Lederharnischen absah, wären daheim in Ikne nicht einmal mehr von einem Bettler getragen worden. Sie waren schon nicht mehr ansehnlich gewesen, als sie aufgebrochen waren, aber fünf Tage Wüste hatten ihnen vollends den Garaus gemacht. Skar nahm den schmuddeligen braungefleckten Fetzen, der einmal seine Hose gewesen war, auf, wog ihn sekundenlang nachdenklich in der Hand und warf ihn dann mit einem Achselzucken von sich. Er würde Sandalen, Lendenschurz und Harnisch behalten und den Rest hier zurücklassen. Ganz abgesehen von ihrem zerfetzten Aussehen stanken Hose und Umhang im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel. Er hatte fast eine Stunde in der schlammigen Brühe gebadet, aber selbst das hatte den dickverkrusteten Dreck nicht vollends herunterwaschen können.
Er bückte sich, hob sein Schwert auf und wog es einen Herzschlag lang prüfend in der Hand. Das
Tschekal war
der einzig wertvolle Besitz, den ein Satai im allgemeinen hatte. Keiner außerhalb der Kriegerkaste Enwors hatte das Recht, die heilige Waffe der Satai zu führen, und diese Regel war eine der wenigen, die Skars Wissen nach immer und überall eingehalten wurde. Die Waffe sah zerbrechlich aus
- ein schlankes, zweischneidiges Schwert von etwas mehr als einem Meter Länge mit einer rasiermesserscharfen Spitze und einem breiten, nach vorne gebogenen Handschutz, mit dem man die Waffe seines Gegners verkanten und zurückdrängen konnte — aber der leicht bläulich schimmernde Stahl vermochte jeden noch so harten Harnisch zu zerschlagen, als bestünde er aus dünnem Papier. Niemand, nicht einmal die Satai selbst wußten, woher diese Waffen kamen und wer sie schmiedete. Der Hohe Rat der Satai behütete und verteilte sie, und es gab keine Möglichkeit, ein solches Schwert zu erhalten, wenn man es nicht von einem der Dreizehn Mächtigen persönlich bekam.
Skar fuhr ansatzlos herum und
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