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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schleuderte die Waffe aus dem Handgelenk von sich. Sie verfehlte den Baum, auf den er gezielt hatte, um ganze zwei Meter und fuhr mit einem saugenden Geräusch in den Boden.
    Skar schüttelte den Kopf. Die paar Stunden Ruhe, die sie genossen hatten, waren lange nicht genug. Es würde Wochen, wenn nicht Monate dauern, ehe er seine alte Form wiedergefunden hatte.
    Er löste sich lustlos von seinem Platz, zog das Schwert aus dem Boden und rammte es neben seinen Kleidern in einen Baumstamm.
    Del sah auf, als er zum See zurückkam. »Du übst schon wieder?«
    »Warum nicht? Ich bin nicht mehr in Form. Und du auch nicht.«
    Del grinste. »Ich frage mich nur, gegen wen du kämpfen willst. Gegen Baumgeister?«
    »Nein. Aber vielleicht gegen die, denen die Bäume gehören«, gab Skar gereizt zurück. Dels offenkundiges Desinteresse ärgerte ihn. Er setzte sich, steckte die nackten Zehen ins Wasser und ballte die Fäuste. Etwas Weiches, Schleimiges berührte seine Füße und begann mit zahnlosen Lippen daran zu zupfen. Die Wasseroberfläche kräuselte sich, und Skar erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen langen, dunkelbraunen Körper und eine schwebende Wolke gezackter Flossen. Angeekelt zog er die Beine an den Körper und stützte das Kinn auf die Knie.
    »Dieser Wald ist bewohnt«, sagte er nach einer Weile.
    »Na und?« Del lachte leise, aber es war eine Spur von Nervosität in seiner Stimme, die die Worte von vornherein Lügen strafte. »Ich habe keine Angst vor Gärtnern. Du siehst zu schwarz, Skar. Schließlich haben wir niemandem etwas getan. Warum sollten sie uns angreifen?«
    »Warum haben uns die Quorrl angegriffen?« gab Skar zurück. »Wir hatten ihnen auch nichts getan, oder? Aber das spielt auch gar keine Rolle, und das weißt du genausogut wie ich. Wir müssen sowieso nach den Bewohnern dieses Waldes suchen. Ob sie uns nun wohlgesonnen sind oder nicht. Wir können nicht tagelang unentdeckt bleiben, und es ist vielleicht besser, wir kommen zu ihnen, bevor sie zu uns kommen.«
    »Wir können ebensogut bis Sonnenaufgang warten und uns davonschleichen«, widersprach Del. »Dieser Wald ist groß genug, um eine ganze Armee verstecken zu können.«
    »Du vergißt deine Schulter.«
    Del machte eine unwillige Bewegung. »Die wird schon wieder. Ich habe schon Schlimmeres überlebt. Und du auch.«
    Skar verzichtete auf eine Antwort und berührte Del statt dessen flüchtig an der Schulter. Del schrie auf und warf sich zurück.
    »Noch Fragen?«
    Del raffte eine Handvoll Sand auf und warf sie Skar ins Gesicht.
    Skar hustete, rieb sich fluchend die Augen und kroch rückwärts davon. »Irgendwann«, drohte er, »vergesse ich meine gute Erziehung und versohle dir den nackten Hintern, Kleiner. Du hast Glück, daß du verletzt bist.«
    »Oh, nur zu«, meinte Del. »Nimm darauf bitte keine Rücksicht.«
    Skar schüttelte den Kopf. »Ich vergreife mich nicht an Krüppeln.«
    Dels Antwort bestand aus einem leisen, spöttischen Lachen.
    Skar grinste zurück, setzte sich wieder auf und umschlang die Knie mit den Armen. Sein Blick tastete wieder über die dunkle, massive Wand des Waldes. Er fühlte sich innerlich frei^und entspannt wie schon seit langem nicht mehr. Die unbestimmbare Angst, die er beim Betreten des Waldes verspürt hatte, war verschwunden. Aber die Erinnerung daran war noch da. Skar wußte, daß die Hochstimmung, in der sie waren, trog und noch dazu gefährlich war. Das Wasser und die wenigen Augenblicke Ruhe, die sie gehabt hatten — weit weniger, als er bisher geglaubt hatte, wie ihm ein rascher Blick in den Himmel sagte —, gaukelten ihm eine Erholung vor, die es nicht gab. Er war immer noch erschöpft. Ein weniger gut trainierter Mann wäre unter den Belastungen der letzten Tage längst zusammengebrochen, und selbst er spürte, daß er sich den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit bedenklich näherte. Er konnte nur hoffen, daß die Bewohner dieses Waldes — wer immer sie waren — sie freundlich aufnahmen. Weder er noch Del waren in der Lage, einen ernstgemeinten Kampf gewinnen zu können. Er stand auf und fuhr sich mit einer müden Bewegung durch das Haar. Dann begann er sich langsam und widerwillig anzuziehen; zuerst den Lendenschurz, dann die geschnürten Sandalen, zum Schluß den schweren, steinharten Lederpanzer. Sein Gewicht ließ ihn aufstöhnen, aber er wäre sich ohne ihn nackt und schutzlos vorgekommen. Er band seine Schärpe um, rammte das Schwert in die Scheide zurück und schlenderte langsam

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