Enwor 11 - Das elfte Buch
seine Leute Dig-ger waren, aber Skar konnte sich kaum vorstellen, dass er in seinem eigenen Schlafzimmer grub. Geschweige denn, wonach.
Er ließ sich in die Hocke sinken, nahm ein wenig Erde auf und zerrieb sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie fühlte sich normal an, verströmte jedoch einen einzigartigen, strengen Geruch, der so etwas wie das Echo einer Erinnerung in ihm wachrief. Er kannte diesen Geruch, konnte sich aber im Moment nicht erinnern, woher.
Als er sich wieder aufrichtete, ging die Tür auf und Roun kam herein. Er trug noch dieselben Kleider wie gestern und der Müdigkeit auf seinem Gesicht nach zu schließen, hatte er sie wohl aus dem einfachen Grund nicht gewechselt, weil er in der vergangenen Nacht nicht geschlafen hatte.
»Guten Morgen, Herr…
Ska«,
begann er. »Bitte verzeiht, aber ich habe Geräusche gehört und… und wollte nachsehen, ob Ihr schon auf seid.«
»Wie du siehst.« Skar schloss die silberne Spange, die seinen Mantel über den Schultern hielt, und lächelte Roun zu.
Er fragte sich, ob der Ausdruck in Rouns Augen nur Müdigkeit war oder vielleicht auch Sorge. Und wenn ja, weshalb. »Wie… fühlt Ihr Euch heute, Ska?« Roun war besorgt und er hatte sich nicht annähernd gut genug in der Gewalt, um sich diese Sorge nicht anmerken zu lassen. Sein Blick wich dem Skars aus, tastete nervös durch den Raum und blieb einen Moment lang an einer Stelle unmittelbar neben ihm haften. Skar folgte ihm und stellte fest, dass Roun den zerwühlten Fleck im Boden anstarrte. Er wirkte irritiert. So als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete Skar. »Der Schlaf hat mir gut getan, aber…«
Er zuckte mit den Schultern, überlegte einen kurzen Moment und kam dann zu dem Schluss, Roun vorerst nichts von den sonderbaren Flecken auf seiner Haut zu erzählen.
Er hatte das sichere Gefühl, dass sein Gastgeber im Augen-blick ganz andere Sorgen hatte.
»Dann… können wir miteinander reden?« Roun riss seinen Blick fast gewaltsam von der Stelle neben Skars Füßen los und sah ihm mit einiger Mühe direkt in die Augen.
»Genau darum wollte ich dich auch gerade bitten.« Was
ging hier vor? Roun hatte Angst. Aber wovor?
Sie verließen den Raum. Das Haus war leer, aber Roun —vermutlich wohl eher seine Frau — hatte ein Frühstück vorbereitet und allein der Anblick ließ Skar spüren, wie hungrig er war. Ohne ein weiteres Wort ließ er sich am Tisch nieder und begann mit einem Appetit zu essen, der nicht nur ihn selbst überraschte, sondern auch Roun zu einem fragenden Stirnrunzeln veranlasste. Er stellte jedoch keine entsprechende Frage, sondern geduldete sich, bis Skar seine Mahlzeit beendet hatte.
»Wie ich sehe, hat es Euch geschmeckt.«
»Hervorragend«, sagte Skar, was der Wahrheit entsprach. »Mein Kompliment an deine Frau. Sie ist eine hervorragende Köchin… ich muss doch kein schlechtes Gewissen haben?« »Wir haben genügend zu Essen«, antwortete Roun. »Und die Gastfreundschaft ist unser oberstes Gebot.«
»Für das ihr aber die eine oder andere Gegenleistung erwartet«, vermutete Skar. Er lächelte, um seinen Worten ein wenig von ihrer Schärfe zu nehmen, hielt Roun dabei aber scharf im Auge.
»Gastfreundschaft existiert um ihrer selbst willen«, erwiderte Roun in einem Ton schlecht gespielter Empörung.
Skar seufzte. »Lass uns nicht länger um den heißen Brei reden«, sagte er. »Was genau wollt ihr von mir?«
»Ihr seid ein Satai, Herr«, antwortete Roun, fast als wäre dies Erklärung genug. Vielleicht war es das, in seinen Augen.
»Ich weiß«, sagte Skar. »Man kann es auch anders ausdrücken: Ich bin ein Krieger. Habt ihr vor einen Krieg zu führen?«
Er sah an Rouns Reaktion, dass er den falschen Ton gewählt hatte. Die Rolle des Satai schien sich nachhaltig verändert zu haben. In der Welt, die er kannte, waren sie ein Symbol für Gerechtigkeit und Ordnung. Man hatte ihnen Respekt gezollt. Doch mittlerweile schienen sie eher Angst und Schrecken zu verbreiten.
»Wir brauchen jemanden, der uns beschützt, Herr«, antwortete Roun. Etwas leiser, aber in eindeutig hastigem Tonfall, fügte er hinzu: »Wir können bezahlen. Gut bezahlen.« »Ich brauche kein Geld«, sagte Skar.
Roun machte ein eindeutig enttäuschtes Gesicht. »Ihr werdet dem Ruf folgen, um mit Marna und seiner Streitmacht in die Schlacht gegen die Quorrl zu ziehen.«
»Das habe ich noch nicht entschieden«, antwortete Skar.
Was zum Teufel hatte dieser Marna vor?
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