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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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empfand, nicht pure Einbildung war.
    Einen Moment überlegte er, ob er Gowenna oder einem der anderen von seiner Beobachtung — seinem Verdacht — erzählen sollte, entschied sich aber dann dagegen.
    Mit einem entschiedenen Ruck ließ er sein Pferd antraben.
    Unter ihnen, im Tal, schrie ihnen Combat ihr brandiges Willkommen entgegen.
    Der Sturm hatte die g-tnze Nacht mit ungebrochener Wut getobt. Der Himmel war schwarz, eine brodelnde Masse, die sich wie eine erdrückende Last über die Stadt und den Fluß gelegt und den Unterschied zwischen Tag und Nacht, Wasser und Land, Himmel und Erde verwischt hatte, die Konturen der Zinnen und Türme verschluckte und die Fackeln der Soldaten, die auf den Wehrgängen patrouillierten, zu winzigen Fünkchen machte, die wirkten, als seien sie ständig im Verlöschen begriffen. Es war kühl, fast kalt, aber nicht eisig — hier, so weit im Süden, wurde es niemals
wirklich
kalt, nicht einmal während der Wintermonate, wenn der größte Teil der übrigen Welt unter Schnee und Eis begraben lag — aber die wuchtigen Bruchsteinmauern Iknes waren nur selten hinter dem Vorhang aus tanzenden Regenschleiern sichtbar geworden, und der unablässig heulende Wind, der die verwinkelten Gassen des Händlerviertels mit einem niemals verstummenden Chor seufzender und wimmernder Stimmen erfüllte und die Dunkelheit zu geheimnisvollem Leben erweckte, brachte die Erinnerung an Eis und Frost und knirschenden Rauhreif und Winter mit sich, so daß Skar trotz allem fror.
    Er war erst seit wenigen Augenblicken im Freien, aber der Regen hatte ihn bereits nach den ersten Schritten bis auf die Haut durchnäßt, obwohl er gelaufen war und sich bemüht hatte, stets auf der windabgewandten Seite der Straße zu bleiben. Der Sturm beutelte die Stadt seit Tagen; eine klamme, unsichtbare Riesenhand, die über das Land strich und die titanischen Mauern mit einer an Hohn grenzenden Leichtigkeit übersprang, den Fluß in einen schäumenden grauen Katarakt verwandelte und nachhaltig daran erinnerte, daß der Herbst längst hereingebrochen war und die Hitze der vorangegangenen Wochen nichts als ein letztes vergebliches Aufbäumen im nie endenden Kampf der Jahreszeiten bedeutete. Und so wie der bleigraue Himmel mit jeder Stunde um eine Winzigkeit tiefer auf die Stadt herabzusinken schien, schien sich auch der Pulsschlag Iknes zu verlangsamen — die Straßen leerten sich jetzt früher, und die Menschen waren merklich ruhiger und schweigsamer geworden, als entzöge der Sturm nicht allein der Stadt Licht und Wärme, sondern auf geheimnisvolle Weise auch ihren Bewohnern etwas von ihrer Lebenskraft.
    Skar hatte auf dem Weg hierher nicht einen einzigen Menschen getroffen, obwohl das Händlerviertel Iknes zu jenen Orten gehörte, an denen das Leben erst nach Einbruch der Dunkelheit richtig erwachte. Es gab viele, die einen Passierschein benötigten und auch bekamen, und kaum weniger, die sich nicht um die Bestimmungen scherten und auch nach Schließen der Stadttore noch aus dem Haus gingen, ungeachtet der drohenden Geldstrafe. Heute waren die Gassen leer. Die einzige Bewegung kam von den schräg vor dem Wind herspringenden Regenschleiern.
    Die Straße glänzte wie ein riesiger mattgrauer Spiegel. Zwischen den Quadern des Kopfsteinpflasters hatten sich unzählige winzige Seen und kleine reißende Bäche gebildet, glitzernde Silbersplitter, die sich zu gurgelnden Strömen vereinigten und die Rinnsteine überfluteten. Die Kanäle hatten es längst aufgegeben, die unablässig vom Himmel herabstürzenden Wassermassen aufnehmen zu wollen; die Abflußrinnen standen bereits jetzt knöcheltief unter Wasser und braunem, brodelndem Schlamm, und obwohl die Flutschleusen schon vor Tagen weit geöffnet worden waren, stieg der Pegel unaufhaltsam. Die niedrig gelegenen Bezirke der Stadt würden vielleicht schon morgen, spätestens aber übermorgen geräumt werden müssen.
    Skar zog den Kopf zwischen die Schultern ein und ging schneller. Der Wind schlug mit winzigen spitzen Krallen nach seinem Gesicht und biß bei jedem Atemzug schmerzhaft in seine Kehle. Seine Stiefel quietschten vor Nässe. Wasser lief in kleinen eisigen Strömen unter seinen Kragen. Der Wind war kalt, aber schlimmer als die Kälte war der Regen — feine, wehende Schleier aus Millionen und Abermillionen unendlich feiner Tröpfchen, die da, wo der Sturm sie nicht vor sich her peitschte, wie spinnwebfeiner Nebel in der Luft hingen und alles mit Feuchtigkeit tränkten.

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