Enwor 2 - Die brennende Stadt
Gang?« fragte er, übergangslos das Thema wechselnd.
»Woher weißt du, daß es ein unterirdischer Gang ist?« antwortete Gowenna.
Skar deutete mit einer Kopfbewegung auf den feuerspeienden Glutofen unter ihnen. Der Wind drehte sich, und für einen Moment wurde das Brüllen der Flammen so laut, daß er schreien mußte, um zu antworten: »Wenn du nicht gerade fliegen kannst und noch dazu feuerfest bist, ist es die einzige Möglichkeit.«
Gowenna zögerte mit der Antwort. Ihr Haar bewegte sich im warmen Hauch des Windes. Sie wandte den Kopf und sah an Skar vorbei. Der dunkelrote Widerschein der brennenden Stadt spiegelte sich in ihren Augen. Für einen Moment sah es so aus, als brenne in ihrem Schädel ein verzehrendes Feuer.
»Die Hitze ist im Inneren der Stadt nicht so schlimm, wie es scheint«, sagte sie. »Was dort unten verbrennt, ist größtenteils nur Luft, und…«
»Luft? Wie kann Luft brennen, Gowenna?« war Nol zu vernehmen.
Gowenna fuhr mit einer ärgerlichen Bewegung herum. Ihr kurzer Disput hatte die anderen herbeigelockt, und mit Ausnahme von Tantor und El-tra, den drei Sumpfmännern, die nur einen Namen besaßen, hatte sich die ganze Gruppe am Rande des Felsens versammelt.
»Sag«, wiederholte Nol stirnrunzelnd, »wie kann Luft brennen?«
»Sie kann, Nol«, antwortete Skar an Gowennas Stelle. »Die Hitze verbrennt mehr Sauerstoff, als da ist, und so strömt er nach. Aber auch er verbrennt, und es wird mehr und immer mehr angesogen.«
»Und dieser Feuersturm heizt die Flammen noch mehr an«, nickte Beral. »Ich verstehe. Ist es das, was den Prozeß in Gang hält?«
»Zum Teil sicher«, sagte Gowenna. »Aber es ist wohl auch Magie im Spiel — ich weiß es nicht. Jedenfalls ist die Hitze am schlimmsten in den Außenbezirken der Stadt. Weiter zum Zentrum hin kann sich ein Mensch bewegen. Wenn auch nicht lange«, schränkte sie ein, als sie Nols zweifelnden Blick sah.
»Und wie wollt ihr diese Feuersperre überwinden?« fragte Nol.
»Es gibt Gänge. Unterirdische Gänge. Die Höhle, durch die wir gezogen sind, ist nur ein Teil einer gewaltigen Anlage, die das Gebirge durchzieht.« Sie brach ab, wandte sich um und deutete mit ausgestrecktem Arm nach unten. »Was ihr dort seht, ist nur ein kleiner Teil Combats. Die Stadt erstreckt sich weit unter die Erde. Ich kenne den Eingang zu einem dieser Gänge. Er führt uns unter der Stadtmauer hindurch bis fast zum Zentrum hin. Es wird aber kein Spaziergang. Es gibt. . . Wesen dort unten, und die Hitze ist auch noch gewaltig.«
»Wesen?« hakte Nol nach. »Was für Wesen? Schneespinnen?« Gowenna lächelte. »Nein, Nol«, sagte sie. »Keine Schneespinnen.
Im Gegenteil.«
Skar wartete auf weitere Erklärungen, aber Gowenna schien nicht gewillt zu sein, mehr zu sagen. Sie fuhr mit einer abrupten Bewegung herum, scheuchte Nol zur Seite und ging rasch zu ihrem Pferd zurück.
Arsan sah ihr kopfschüttelnd nach. »Sie ist nicht sehr mitteilsam«, knurrte er. »Aber sie wählt sich den denkbar ungünstigsten Moment, die Geheimnisvolle zu spielen.«
Skar erhob sich ebenfalls und ging zu seinem Tier hinüber. Diesmal schien Arsans Menschenkenntnis nicht zu wirken. Gowenna hatte ihnen die Antwort selbst gegeben, aber er schien der einzige zu sein, der sie verstanden hatte. Sie war dort gewesen. Er, Arsan, Beral und die anderen waren nicht die ersten, die Combat betreten würden. Sie war hier gewesen und hatte versagt, und vielleicht war gerade das der Grund für ihren Haß und ihre Verbitterung.
Er stieg auf, drängte sein Pferd aus dem Windschatten des Felsens und wartete, bis die anderen ebenfalls in die Sättel gestiegen und hinter ihm Aufstellung genommen hatten. Sein Blick wanderte noch einmal nervös über den grauen, porösen Stein hinter sich. Sie hatten den schwierigsten Teil des Weges geschafft. Vielleicht nicht den gefährlichsten, aber den schwierigsten.
Trotzdem fühlte er sich weder beruhigt noch erleichtert, im Gegenteil. Es waren zu viele Dinge, die noch geschehen würden, zu viele Fragen, auf die er vielleicht niemals eine Antwort bekommen würde, zu viele Gefahren für einen einzelnen Mann, auch wenn er Satai war. Selbst wenn sie Combat überleben sollten, stand ihnen die echte Gefahr noch bevor. Skar glaubte nicht daran, daß Vela die ganze Zeit ruhig in Ikne warten würde. Er hatte die Spuren im Schnee gesehen, Spuren von Füßen, von menschlichen Füßen, und er wußte, daß das Gefühl, beobachtet zu werden, das er seit ein paar Tagen
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