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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine Frau, aber gegen ihn hatte sie keine Chance. Er spürte, wie sie zu zittern begann, und er konnte ihre plötzliche Unsicherheit beinahe fühlen. Unsicherheit und — ja, und Angst. Keine Furcht, daß er ihr etwas antun könnte — in dieser Beziehung glichen sie sich wie Geschwister. Sie waren beide mit dem Schwert in der Hand aufgewachsen, und der Tod war ihnen so vertraut wie ein Bruder. Aber er hatte ihren Schutzpanzer durchstoßen, hatte durch seine Berührung die Mauer, die sie zwischen sich und der Welt errichtet hatte, unterlaufen, hatte sie aus dem Konzept gebracht wie ein Tier, dessen Fluchtdistanz unversehens unterschritten wird und das in Panik gerät. Für einen winzigen Moment stand er der wahren Gowenna gegenüber, einer Frau, die sich völlig von der unterschied, die er bisher gekannt hatte.
    Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Sie schlug seine Hand mit einem wuchtigen Fausthieb zur Seite, sprang zwei Schritte zurück und zog ihr Schwert halb aus der Scheide.
    »Tu das nie wieder, Skar«, sagte sie leise. »Wenn du mich noch einmal berührst, töte ich dich. Es ist mein Ernst.«
    »Und warum?« fragte Skar unbeeindruckt. »Widerstrebt es dir, von einem Mann berührt zu werden? Haßt du mich nur, weil ich ein Mann bin, weil ich all das darstelle, was eine Frau in dieser Welt niemals sein kann?« Ihm fiel plötzlich auf, daß er beinahe wörtlich das wiederholte, was Arsan am Vortag gesagt hatte. Er unterdrückte ein Lächeln.
    »Ein Mann?« Gowenna warf den Kopf in den Nacken und lachte, laut, schrill und unnatürlich. »Was ist das schon, Skar? Du glaubst, ich wäre lieber ein Mann? Du bist verrückt, Satai, völlig verrückt. Ich hasse euch, das stimmt, euch alle, aber aus anderen Gründen, als du glaubst. Es gibt nichts an euch, auf das ich neidisch sein könnte, absolut nichts. Im Gegenteil — ich bin stolz darauf, eine Frau zu sein.«
    »Warum benimmst du dich dann nicht so?« fragte Skar.
    Gowenna wurde von einer Sekunde auf die andere wieder ruhig.
    »Und wie, glaubst du, sollte sich eine Frau benehmen?« fragte sie höhnisch. Sie zog ihr Schwert vollends aus der Scheide und schleuderte es Skar vor die Füße. Die Klinge fuhr eine halbe Handspanne vor Skars Zehen in den Boden und blieb zitternd stecken. »Ist es das?« fragte sie. »Nimmst du mir übel, daß ich gelernt habe, mit dem Schwert umzugehen? Bist du wütend, weil du mir gegenüber nicht den Beschützer spielen kannst, den unbesiegbaren, superklugen, weisen Satai? Oder bist du einer von denen, die meinen, eine Frau gehöre tagsüber hinter den Herd und abends gewaschen und frisch parfümiert ins Bett?«
    »Sicher nicht«, antwortete Skar. »Aber ich bin einer von denen, die glauben, daß eine Frau nicht auf das Schlachtfeld gehört.«
    »Und warum nicht?« Sie trat vor, riß mit einer zornigen Bewegung das Schwert aus dem Boden und hielt Skar die Waffe dicht vor das Gesicht. »Weil das hier eine Sache der Männer ist, wie? Weil ihr den Gedanken nicht ertragen könnt, daß eine Frau damit ebensogut umzugehen weiß wie ihr?«
    Skar schüttelte seufzend den Kopf, drückte die Waffe nach unten und trat einen Schritt auf Gowenna zu.
    Sie wich hastig zurück. Ihre Haltung verriet plötzlich Anspannung.
    Skar blieb stehen. Er spürte, daß sie ihn angreifen würde, wenn er auch nur einen einzigen Zentimeter näher kam. »Aber das stimmt doch gar nicht«, sagte er sanft.
    In Gowennas Augen blitzte es zornig auf. »Das mußt gerade du sagen«, zischte sie. »Seid es nicht ihr, die Satai, die nur für das Schwert leben? Ihr habt eine Religion daraus gemacht, einen Gott, den ihr anbetet und für den ihr sterbt. Sag mir, Skar, wie viele Mythen habt ihr um Helden gewoben, die mit dem Schwert in der Faust gelebt haben? Wie viele Lieder gibt es, in denen ihr eure Heldentaten besingt. Ihr habt das Schwert zu einem Symbol der Männlichkeit erhoben, und ihr verachtet jeden, der an diesem Mythos zu kratzen wagt. Du glaubst, ich wolle ein Mann sein, nur weil ich ein Schwert führe und mich eurem Überlegenheitsdenken nicht beuge? Wie viele Männer hast du getötet, Skar? Ich bin sicher, es sind sehr viele. Und du wirfst mir vor, ich wäre anders, als ich sein sollte?« »Ich laufe jedenfalls nicht herum und lege mich mit jedem an, der mir auch nur einen schrägen Blick zuwirft«, antwortete Skar absichtlich in gemäßigtem Tonfall. Er spürte, daß er zu weit gegangen war, daß er einen Punkt in Gowennas Seele berührt hatte, den er besser

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