Enwor 2 - Die brennende Stadt
Du bist da, und das genügt.«
»Bisher hättet ihr recht gut auf mich verzichten können«, grollte Skar. Es klang albern, war aber die einzige Antwort, die ihm einfiel. Wieder nickte Gowenna. »Das ist richtig. Aber du wirst dir deinen Lohn noch verdienen, sei beruhigt. Wir brauchen weniger dich als vielmehr deinen Schwertarm.«
»Warst du nicht bisher der Meinung, der deine wäre ebenso stark?«
»Vielleicht ist er das auch. Aber eine Frau gehört nicht aufs Schlachtfeld. Erinnerst du dich? Das waren deine Worte. Außerdem — es mag sein, daß ein Schwert nicht genug ist.«
»Oder daß du in eine Situation kommst, in der du den besagten Schwertarm opfern mußt«, versetzte Skar boshaft. Aber sein Spott drang gar nicht erst bis zu ihr durch.
Gowenna zuckte gleichmütig die Achseln, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich neben dem reglos dahockenden Sumpf —mann zu Boden sinken.
»Auch das«, gestand sie. »Obwohl ich ganz zuversichtlich bin, daß du überleben wirst, Skar. Ihr Satai seid doch unbesiegbar, oder?«
»Findet ihr es sinnvoll, euch ausgerechnet jetzt zu streiten?« mischte sich Arsan ein.
Skar sah verärgert auf. Der Kohoner hatte sich ebenfalls gesetzt und den Kopf in die Hände gestützt. Seine Stimme schwankte vor Schmerzen und Erschöpfung, aber sein Blick war wieder klar. »Wir haben andere Probleme. Schlagt euch von mir aus die Köpfe ein, aber wartet damit, bis wir hier heraus sind. Sonst schaffen wir es nämlich nie.«
»Keine Sorge, Arsan«, murmelte Gowenna. »Wir sind hereingekommen, und wir kommen auch wieder heraus. Was nicht heißt«, fügte sie nach einer winzigen Pause hinzu, »daß wir dann in Sicherheit sind.« Sie stockte erneut, lehnte sich zurück und lehnte den Hinterkopf gegen die Wand. Ihre Finger fuhren in einer unbewußten Bewegung über ihre Wange. Als sie die Hand zurückzog, klebte Blut an ihren Fingerspitzen. »Weißt du«, fuhr sie fort, diesmal an Skar gewandt, »daß wir verfolgt werden?«
»Du meinst den Drachen?«
»Nein. Dieses Problem werden wir auf. . . andere Weise lösen müssen. Ich meine die Männer, die uns folgen.«
Für einen Moment war Skar überrascht. »Du… hast die Spuren gesehen?«
Gowenna nickte. »Ich bin nicht blind, Satai. Sie sind schon hinter uns her, seit wir das Schiff verlassen haben, vielleicht sogar schon seit Ikne. Ich dachte, du wüßtest es.«
»Ich habe es auch bemerkt«, murmelte Arsan. Er hob den Kopf, und für einen Moment schien so etwas wie Interesse in seinem Blick aufzuglühen. »Aber ich habe es erst in den Bergen gemerkt.«
»Sie sind leichtsinniger geworden«, bestätigte Gowenna. »Wahrscheinlich werden sie uns irgendwann auf dem Rückweg angreifen.«
»Wer sind sie?« fragte Skar mißtrauisch.
»Die, die uns verfolgen, Satai. Räuber vielleicht. Oder Quorrl.
Ich weiß es nicht. Vielleicht auch Männer aus Ikne. Vergiß nicht, daß auf deinen Kopf ein ansehnlicher Preis ausgesetzt ist. Es gibt genug Abenteurer, die einen Mann für hundert Goldstücke selbst bis in die Hölle verfolgen.« Sie lächelte. »Aber du brauchst keine Angst zu haben. El-tra und ich werden dich beschützen. Oder vielmehr den Stein, den du trägst.«
Skar schwieg dazu. Gowennas Vermutung klang einleuchtend, und trotzdem weigerte er sich, daran zu glauben. Wer immer sie verfolgte — es steckte etwas anderes dahinter.
Für einen kurzen Moment dachte er wieder an die Errish, aber auch jetzt gelang es ihm nicht, sich über seine Gefühle klarzuwerden. Es war alles viel zu kompliziert. Sie spielten ein Spiel nicht mit doppeltem, sondern mit fünf- oder zehnfachem Boden, und er hatte das Gefühl, allmählich die Übersicht zu verlieren. Gowenna, die Sumpfmänner, Arsan, er, Vela — sie alle waren nur Figuren. Aber er wußte mittlerweile selbst nicht mehr, wer nun die Regeln dieser Partie bestimmte.
Eine Zeitlang hatte er sich eingebildet, selbst derjenige zu sein, der letztlich die Fäden in der Hand hielt und die Dinge entscheiden konnte. Aber er wußte plötzlich, daß das nicht stimmte, daß alles viel verwirrender und geheimnisvoller war, als er bisher geglaubt hatte. Sie hatten den Stein gefunden, aber es war nichts Geheimnisvolles an ihm, nichts Magisches und Gewaltiges, er war — zumindest auf den ersten Blick — nichts weiter als ein Stück farbiges Glas.
Die Situation erinnerte ihn auf absurde Weise an sein zweites Zusammentreffen mit der Errish. Und so wie damals fühlte er sich auch jetzt verwirrter
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