Enwor 2 - Die brennende Stadt
auf seinen hochgezogenen Lefzen und zu den fingerlangen entblößten Reißzähnen. Es kostete ihn Mühe, den Blick wieder der Schale zuzuwenden.
Der Stein lag auf dem Boden der Schale, bedeckt von einer kaum zwanzig Zentimeter hohen Schicht glasklaren, unbewegten Wassers. Er war klein, viel kleiner, als Skar erwartet hatte, aber von unbeschreiblicher Schönheit, ein winziger weißer Ball aus gefrorenem Licht, der in sanftem, blauem Feuer erstrahlte. Seine Oberfläche war zu Millionen unendlich feiner Facetten geschliffen; eine per-fekte Kopie der Kuppel, die den Tempel überdachte.
Gowenna trat zögernd vor, streckte die Hand aus und berührte die Wasseroberfläche. Ihre Finger tauchten in die Flüssigkeit ein und verursachten eine Folge winziger runder Wellen, die das Licht brachen. Es sah aus, als zerspränge der Stein am Grunde des Bek-kens zu unzähligen Bruchstücken.
Skar ergriff rasch ihr Handgelenk, riß sie herum und vertrat ihr den Weg. Gowenna wehrte sich und versuchte, ihre Hand zu befreien, aber diesmal war er auf ihre Stärke vorbereitet.
»Auf ein Wort noch, Gowenna«, sagte er ruhig.
Gowennas Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung. Sie wehrte sich mit aller Kraft, aber Skar drückte erbarmungslos zu, preßte ihr Gelenk so fest zusammen, daß sie sich vor Schmerz krümmte und jeden Widerstand aufgab.
»Was. .. willst du?« keuchte sie.
»Antworten«, sagte Skar. »Ich will wissen, warum wir hier sind. Welche Macht hat dieser Stein? Warum ist er so wichtig für deine Herrin ?«
»Wer ihn hat, beherrscht Combat«, stieß Gowenna hervor.
»Er —«
Skar verstärkte den Druck seiner Hand noch mehr, so daß sie aufstöhnte und sich unter seinem Griff wand.
»Das ist nicht die Antwort, die ich will«, sagte er. »Drei Menschen sind gestorben, und noch mehr werden wahrscheinlich sterben, bis wir hier wieder heraus sind. Welches Geheimnis umgibt dieses Stück Glas? Was ist wichtiger als die Leben von drei Menschen?«
»Ich ... weiß es nicht«, keuchte Gowenna. »Dieser Stein ist der Schlüssel zur Macht der Alten, aber nur wer sein Geheimnis kennt, kann ihn benutzen. Ich weiß nicht, welche Macht er seinem Besitzer verleiht, und ich weiß auch nicht, wie man sie anwendet. Nur Vela allein weiß es.«
»Und sie hat es dir nicht gesagt?« fragte Skar zweifelnd.
Gowenna schüttelte den Kopf. »Nein. Sie gab mir alles, was nötig war, hierher und wieder zurückzukommen, aber nicht mehr. Und nun laß meine Hand los. Du tust mir weh.«
Skar ließ ihr Handgelenk fahren, drehte sich nach der Schale um und wollte nach dem Stein greifen, aber Gerrion war um eine Winzigkeit schneller. Er beugte sich vor, tauchte beide Arme bis über die Ellbogen ins Wasser und nahm den Stein heraus. Reglos, die Hände zu einer Schale geformt, blieb er über dem Becken stehen und wartete, bis das Wasser zwischen seinen Fingern hindurchgetropft war.
»Gib ihn her!« zischte Gowenna. Sie trat an Skar vorbei und streckte herrisch die Hand aus, aber Gerrion wich mit einem erschrockenen Schritt zurück, schloß die Linke um den Stein zur Faust und zog mit der anderen Hand sein Schwert.
»Nein!« keuchte er. »Du bekommst ihn nicht!«
Gowenna verhielt mitten im Schritt. Ihre Haltung wirkte mit einem Mal sonderbar steif und unnatürlich, und auf ihrem Gesicht machte sich ein Ausdruck ungläubigen Staunens breit.
»Was soll das heißen?« fragte sie lauernd.
»Ich… gebe ihn nicht her«, flüsterte Gerrion. Seine Stimme bebte. Seine Augen waren unnatürlich geweitet, und das Schwert in seiner Faust zitterte sichtlich. »Du bekommst ihn nicht! Keiner von euch bekommt ihn!« Er hob drohend das Schwert und fuchtelte wild damit in der Luft herum. »Keiner bekommt ihn!« wiederholte er. »Keiner!«
Gowennas Hand zuckte zum Gürtel, aber Skar hielt sie mit einer raschen Bewegung zurück.
»Du bist schlecht beraten, wenn du glaubst, den Stein mit Gewalt an dich bringen zu können«, sagte Skar ruhig zu Gerrion. »Wir sind drei, und du bist nur einer.«
»Zwei«, verbesserte Gerrion. »Arsan zählt nicht. Und ihr seid nichts als eine größenwahnsinnige Frau und ein halbtoter Satai.« »Sei vernünftig, Gerrion«, sagte Skar. »Ich verstehe dich. Was du da in der Hand hast, bedeutet vielleicht mehr Macht, als jemals ein einzelner Mensch besessen hat, aber dir wird es den Tod bringen. Laß das Schwert fallen und gib mir den Stein, und wir vergessen, was geschehen ist. Ich gebe dir mein Wort.«
»Dein Wort!« lachte Gerrion. »Was
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