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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kann. Ihr wart nie zu dritt, nicht?«
    »Nein«, bekannte El-tra. »Eins — drei — Millionen Facetten eines einzigen großen Wesens. So wie Gowenna, Vela, Arsan und du und alle anderen Menschen ebenfalls. Ihr habt es nur noch nicht gemerkt.«
    »Oder ihr habt noch nicht gemerkt, daß es so etwas wie ein eigenes Leben gibt«, konterte Skar. »Man kann die Sache von zwei Seiten sehen.« Obwohl er mit jeder Sekunde müder zu werden schien und seine Gedanken träge wie Sirup durch seinen Schädel krochen, begann ihm die Diskussion Spaß zu machen. Es war das erste Mal, daß der Sumpfmann so frei über sich und sein Volk sprach, und Skar begann zu spüren, daß die beiden bizarren Wesen vielleicht mehr waren als Gowennas Vertraute und Wächter.
    »Individualismus ist nicht das höchste Ziel«, widersprach El-tra nach kurzem Zögern. »Sieh dir unser Volk an, Skar, und betrachte deines. Wir kennen das, was ihr Persönlichkeit nennt, nicht. Nicht so wie ihr. Aber wir leben seit Jahrtausenden in Frieden, während ihr euch in einem immerwährenden Krieg zerfleischt.«
    Skar machte eine ärgerliche Handbewegung. »Frieden«, stieß er hervor. »Im Grab ist auch Frieden, El-tra. Uod ihr zahlt einen hohen Preis dafür. Ihr seid isoliert. Ausgestoßen.«
    »Glaubst du?« Wieder schwieg El-tra lange, als müsse er sich die Antwort genau überlegen. »Wer sagt dir, daß nicht wir euch ausgestoßen haben, und nicht umgekehrt?« Für einen Moment blitzte ein fast spöttisches Lächeln durch die grauen Nebel unter seiner Kapuze. »Und wie ist es mit dir und Del?« fuhr er dann fort. »Auch ihr seid Geistbrüder, mehr, als dir vielleicht bewußt ist. Töte den einen, und der andere stirbt.«
    »Unsinn«, knurrte Skar.
    El-tra nickte. »Sicher. Vielleicht ist Del schon nicht mehr am Leben, vielleicht stirbst du mit uns in wenigen Stunden oder Tagen, und der andere wird weiterleben. Aber er wird nicht mehr der sein, der er vorher war.«
    Diesmal verzichtete Skar auf eine Antwort. Es gab nichts, was er hätte sagen können. El-tra hatte recht, in jedem einzelnen Punkt. Skar hatte bereits begonnen, sich zu verändern. Von seiner früheren Stärke und Sicherheit war nicht viel geblieben, er fühlte sich verwirrt, hilflos, schwach. Er wußte nicht, was geschehen wäre, wäre Del bei ihm geblieben, aber soviel wußte er, daß alles ganz, ganz anders gekommen wäre.
    El-tra erhob sich mit einer plötzlichen fließenden Bewegung, nickte noch einmal und ging ohne ein weiteres Wort zu Gowenna und dem zweiten Sumpfmann zurück.
    Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte, aber es war merklich dunkler geworden, als Arsan ihn weckte. Im ersten Moment hatte er Mühe, in die Wirklichkeit zurückzufinden.
    Es waren nicht die grauen Spinnweben des Giftes, die seine Gedanken gefangen hielten, sondern einfach Müdigkeit, Erschöpfung von einer Tiefe, wie er sie lange nicht mehr verspürt hatte.
    Er sah auf, blickte in Arsans Gesicht und versuchte sich hochzustemmen. Es gelang ihm erst beim zweiten Anlauf.
    »Was gibt es?« fragte er undeutlich.
    Arsan deutete mit einer Kopfbewegung zur Tür. Vor dem Ausgang herrschte noch heller Tag, aber die Sonne war weitergewandert, so daß ihre Strahlen nun nicht mehr direkt in den Eingang fielen, und das Innere des Gebäudes war in grauen Schatten versunken. »Komm mit«, sagte er einfach.
    Skar stand vollends auf, hielt sich einen Moment an der Wand fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und folgte dann dem Kohoner zum Ausgang.
    »Was ist los?« fragte er noch einmal.
    Arsan sah ihn mit seltsamem Ausdruck an. In seinem Blick lag Schrecken, aber auch Resignation. Er hob die Hand und deutete nach Westen. »Dort.«
    Zuerst gewahrte Skar nichts außer den massigen Schatten der Berge, die hinter einem Vorhang aus heißer Luft auf und ab zu tan-zen schienen. Seine Augen, gewöhnt an die graue Dämmerung hier drinnen, begannen unter dem grellen Licht zu tränen, und irgendwo über seiner Nasenwurzel saß plötzlich ein kleiner scharfer Schmerz. Erst nach einer Weile erkannte er, was der Kohoner gemeint hatte: Auf halbem Wege zwischen ihnen und der Schneegrenze, vielleicht noch drei, höchstens vier Meilen entfernt, bewegte sich eine Anzahl winziger dunkler Punkte.
    »Reiter«, murmelte Arsan. »Das sind Reiter.« Seine Stimme klang auf unangemessene Weise ruhig, beinahe heiter. Skar hätte Schrek-ken oder zumindest Überraschung erwartet, aber in den Worten des Kohoners schwang nichts von alledem mit. Er

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