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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber Skar verzichtete darauf, ihm seine Hilfe anzubieten.
    Schweigend sah er zu, wie Del Hemd und Unterkleider überstreifte, vorsichtig seinen Arm aus der Schlinge hob und das Kettenhemd anlegte. Es war seltsam — er empfand eher Verwunderung als Trauer oder gar Zorn. Sie waren länger als ein Jahrzehnt zusammen geritten, und jetzt, plötzlich und von einem Tag auf den anderen, waren sie zu Fremden geworden, sogar zu Feinden. Die Vorstellung war einfach zu absurd, um sie wirklich schon begreifen zu können. Es war alles so glatt gegangen — es gab keine dramtische Abschiedszene, keine großen Worte, keine Gesten; sie waren wie Fremde, die sich zufällig getroffen hatten, und deren Wege sich nun ebenso zufällig wieder trennten. Ein schneller, schmerzloser Schnitt.
    Und trotzdem kämpfte er für einen Augenblick gegen die Tränen an.
    Schnell, so hastig, daß es ihm selbst beinahe wie eine Flucht vorkam, stand er auf und verließ die Hütte. Der Platz zwischen den Häusern war nicht mehr leer; eine Anzahl der Sumpfmänner hatte sich im Halbkreis darum versammelt — zwölf, vielleicht fünfzehn —es war Skar nicht möglich, ihre genaue Zahl zu erkennen. Selbst jetzt, im hellen Tageslicht, glichen sie sich wie identische Spiegelbilder, und sie waren ständig in Bewegung. Keiner von ihnen sprach, und selbst die leisen Geräusche des Waldes schienen gedämpft, wie über große Entfernung oder einen unsichtbaren Nebel herüberwehend.
    »Skar?«
    Skar drehte sich herum und erkannte El-tra, der, Dels Pferd am Zügel und seinen schwarzen Harnisch über dem anderen Arm, hinter der Hütte gestanden war. Durch die dünnen Wände mußte er jedes Wort verstanden haben. Es sollte Skar peinlich sein, war es aber nicht. Er hatte eine Niederlage erlitten, aber er hatte vorher gewußt, daß es geschehen würde.
    »Du hast alles gehört?« fragte er.
    El-tra nickte, ließ den Zügel los und entfernte sich ein paar Schritte von der Hütte, wohl um sicherzugehen, daß Del seine Worte nicht verstand. Skar folgte ihm.
    »Es ist deine Entscheidung«, begann El-tra übergangslos, »aber bist du sicher, daß es klug ist, ihn gehenzulassen?«
    Skar lächelte. »Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Fehler ist«, sagte er.
    »Warum tust du es dann?«
    »Habe ich eine andere Wahl? Außer der, ihn — wie nennt ihr es? Seine Matrix neu schaffen?«:
    »Du bist der erste Mensch, der dieses Angebot von meinem Volk erhielt«, sagte El-tra anstelle einer direkten Antwort.
    Skar sah an ihm vorbei zum Hütteneingang hinüber. Von Del war noch nichts zu sehen, aber er konnte ihn hören. »Verpflichtet mich diese Tatsache, es anzunehmen?«
    »Natürlich nicht. Doch ich sehe, welchen Schmerz es dir bereitet, ihn gehenzulassen. Ich ... ich will dir helfen, Bruder.«
    »Ich weiß«, murmelte Skar. »Aber es gibt nur einen winzigen Menschen, der mir helfen könnte. Und der« — er wies auf die verfallene Laubhütte und lachte leise und bitter — »wird in wenigen Augenblicken davonreiten.«
    »Aber du —«
    »Ich will nichts mehr davon hören«, sagte Skar scharf. »Ich weiß euer Angebot zu schätzen, El-tra, und ich werde niemandem euer Geheimnis verraten, aber ich kann es nicht tun. Du wirst es für dumm halten, aber für mich wäre es Mord. Schlimmer noch.« »Er wird dich töten, wenn ihr euch das nächste Mal gegenübersteht.«
    »Vielleicht. Er wird es versuchen, aber vielleicht werde ich ihn töten. Doch das wäre etwas anderes, El-tra.« Er stockte, sah den Sumpfmann durchdringend an und fuhr in schärferem Tonfall fort: »Hat Gowenna dich geschickt, um mir ins Gewissen zu reden? Wo ist sie überhaupt?«
    »Nicht hier. Sie ist vor Sonnenaufgang fortgeritten und wird nicht vor dem nächsten zurück sein. Und sie hat mich nicht geschickt, Skar. Ich kam nur, weil ich deinen Schmerz spürte. Du bist ein Teil von mir, vergiß das nicht.«
    »Naja, dann habe ich wenigstens jemanden, der mit mir leidet«, meinte Skar spöttisch. Seine Worte bedauerte er sofort wieder, aber El-tra schien den verletzenden Ton nicht einmal zu registrieren. Er sah ihn an, machte eine Geste, deren Bedeutung Skar nicht verstand, und ging dann wortlos zu dem wartenden Pferd zurück. Skar atmete unmerklich auf. Er spürte, daß El-tra dicht daran gewesen war, ihn zu überzeugen.
    Etwas in ihm hatte danach geschrien, El-tras Drängen nachzugeben, zu tun, was er ihm anbot. Und er wußte, daß er seinen Entschluß bereuen würde, im gleichen Moment, in dem Del das Lager

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