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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte Angst davor haben müssen, aber er empfand im Grunde gar nichts. Plötzlich war er wirklich in Combat, wieder in dem kleinen Raum unter der Kuppel des Tempels, aber er wußte mit einem Mal, daß es kein Tempel war, sondern das Zentrum eines unsagbar fremden Etwas, das er niemals begreifen würde, Herz einer. .. Magie (?), die vor hunderttausend Jahren untergegangen war, zusammen mit den Wesen, die sie geschaffen hatten, und vor ihm stand der weiße, aus schimmerndem Glas gewachsene Gral des Steines, bewacht von einem gewaltigen schwarzen Granitwolf. Aber als er danach greifen wollte, schmolz er zusammen und wurde zum höhnisch grinsenden Kopf des Staubdrachen, und aus dem Wolf wurde ein hühnenhafter schwarz gepanzerter Krieger. Die dunklen Augen hinter dem geschlitzten Visier erschienen ihm seltsam vertraut, aber er wußte nicht, wem er gerade gegenüberstand, Del oder seinem Dunklen Bruder, vielleicht auch beiden. Der Traum endete an dieser Stelle, aber Skar wachte nicht auf, sondern trieb noch eine Weile haltlos durch den grauen Nebel, der zwischen Schlaf und Erwachen liegt. Das Geräusch des Windes drang schwach an sein Bewußtsein, doch der Laut erschien ihm plötzlich wie ein langgezogenes, klagendes Heulen, das Heulen des steinernen Wolfes von Combat, der den Verlust seines Schatzes beklagte. Noch einmal glitt er — für Sekunden, wie es ihm schien — hinüber in den Schlaf, und als wäre sein Traum noch nicht zu Ende gewesen, setzte er sich fort. Plötzlich war er nicht mehr in Combat, sondern in Urcoun, der Stadt am Rand der No-nakesh-Würste. Wieder sah er den schwarzen Riesen, aber dann wuchsen aus seinem Kopf und seinen Schultern lange, dornige Stacheln, und als er die Hand hob und das Gesichtsvisier zur Seite schob, da war es nicht Dels Gesicht oder sein eigenes, sondern eine schwarze, brodelnde, formlose Masse.
    Diesmal erwachte er endgültig.
    Er fuhr so abrupt hoch, daß El-tra, der auf einem Mauerrest über dem provisorischen Lager saß und Wache hielt, erschrocken herumguckte und die Hand auf das Schwert legte. Skar schüttelte hastig den Kopf, gab dem Sumpfmann mit einer stummen Geste zu verstehen, daß alles in Ordnung sei, und setzte sich — leiser, um Gowenna und den anderen El-tra, die rechts und links von ihm lagen und schliefen, nicht zu wecken — vollends auf. Seine Stirn war heiß, und das Brennen auf seinen Handflächen und der trockene, üble Geschmack im Mund sagten ihm deutlich, daß er in den letzten Stunden erneut Fieber gehabt und sein Körper den Kampf gegen die Rauschdroge noch lange nicht gewonnen hatte.
    Aber es gelang ihm nicht, den Traum als Fieberphantasie abzutun. Er war zu klar gewesen, und er verblaßte nicht in der Art nor-maler Alpträume bald nach dem Erwachen, sondern schien im Gegenteil erst jetzt, in Skars Erinnerung, an Klarheit zu gewinnen.
    Es war fast, als wäre es kein Traum, sondern eine Botschaft gewesen, etwas, das von außen an ihn herangekommen und sich in seine Träume geschlichen hatte, um sie als Vehikel zu benutzen, als wolle ihm irgend jemand oder etwas — vielleicht sein eigenes Unterbewußtsein — auf diesem Wege etwas mitteilen.
    Aber wenn es eine Botschaft war, dann verstand er sie nicht.
    Er blieb eine Weile reglos sitzen und wartete darauf, daß die Müdigkeit zurückkam, aber sie kam nicht. Sein Körper und vielmehr noch sein Geist befanden sich in Aufruhr; er würde in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden. Leise beugte er sich zu Gowenna hinüber und betrachtete sie sekundenlang. Sie lag auf dem Rücken und schlief; ihre Hand hatte die Decke, in die sie sich gewickelt hatte, bis zur Stirn hochgezogen, so daß der Stoff wie ein grober Schleier die geschändete Seite ihres Gesichtes verbarg. Ihre Hand hatte sich selbst im Schlaf noch so fest in das Gewebe gekrallt, daß ihre Knöchel weiß und deutlich hervortraten.
    Plötzlich machte sich ein widersinniges Gefühl von Verlangen in Skar breit. Es war wie beim ersten Mal, als er sie schlafend gesehen hatte — jetzt, wo er nur ihren Körper sah, sah er auch nicht mehr als die Frau in ihr, die sie war. Er empfand nichts von dem Haß und dem Zorn, den er der wachen Gowenna entgegenbrachte, sondern fühlte nur noch Zärtlichkeit, ein Empfinden, das er zu lange entbehrt hatte, und — ja, und Vertrauen. Als hätten dieses schlafende Mädchen neben ihm und die Frau, zu der sie wurde, wenn er sie jetzt an der Schulter berühren und wecken sollte, nichts, aber auch gar nichts
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