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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unter seiner Berührung. Der Blick ihres gesunden Auges bohrte sich in den seinen, und Skar erkannte einen wahren Sturm von Gefühlen:
    Furcht, Verzweiflung, Haß, aber auch stumme, unendlich flehende Hilferufe. Und er spürte etwas — zum zweiten Mal —, das ihn selbst in maßlose Verwirrung stürzte. Er spürte, daß etwas in ihm — ein Skar, der ihm bis zu diesem Augenblick fremd und verborgen gewesen war und es auch vielleicht immer bleiben würde —ihre Gefühle erwiderte.
    Langsam löste er die Hände von ihrem Gesicht, legte sie sanft um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. Sie wehrte sich und versuchte ihn wegzuschieben, aber er spürte, daß es ihr — trotz aller Kraft, die sie aufwandte — nicht ernst damit war, daß etwas in ihr nach dieser Berührung schrie.
    »Bitte, Skar«, flehte sie. »Kein Mitleid. Jetzt nicht mehr.«
    Er schüttelte sanft den Kopf. »Kein Mitleid«, flüsterte er.
    Ihre Blicke trafen sich erneut. Zum ersten Mal — wirklich zum ersten Mal, wie er plötzlich begriff — sah er Gowenna so, wie sie war: eine Frau. Eine Frau, die trotz allem noch stolz auf ihren Körper und seine Schönheit war, aber die diese Tatsache vielleicht erst jetzt, jetzt, als es zu spät war, begriff. Sie hatte sich selbst ihr Leben lang verleugnet, und das, worauf es ihr ankam, das, was sie in Wirklichkeit sein wollte, nämlich nicht mehr als eine Frau, die lieben und geliebt werden konnte, die wie jeder Mensch ein Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Geborgenheit hatte, war ihr im gleichen Augenblick genommen worden, in dem sie es gefunden hatte. Skar verstand sie, verstand nur zu gut, wie sie die Frau, die ihr das alles angetan hatte, hassen mußte. Und er verstand auch den Ausdruck in ihrem Blick, diesen stummen Schrei nach Liebe und Zärtlichkeit. Und etwas in ihm antwortete darauf, etwas, das nicht neu, sondern die ganze Zeit über dagewesen war, vom ersten flüchtigen Blick an, den sie in RACHES WACHT in Ikne getauscht hatten.
    Nein — es war kein Mitleid, und es war auch keine barmherzige Lüge, als er ihr Gesicht zwischen die Hände nahm und sie, zuerst behutsam, dann wild und so heftig, daß es sie schmerzen mußte, küßte.
    W ährend der nächsten vier Tage ritten sie weiter nach Süden, in einem flachen, sanft geschwungenen Bogen der Krümmung des Gebirges folgend, das von Zeit zu Zeit noch immer als mächtiger grauer Schatten im Westen sichtbar war. Skar schätzte die Strecke, die sie zurücklegten, auf etwas mehr als hundert Meilen — wenig, bedachte man die Zeit, die sie unterwegs waren, aber viel, setzte man ihren eigenen und den erschöpften Zustand der Pferde in Rechnung. Drei der Tiere starben; eines mußte getötet werden, als der trügerische Glasboden unter seinem Gewicht einbrach und es sich an den messerscharfen Kanten die Fesseln aufriß, die beiden anderen brachen einfach vor Entkräftung unter ihren Reitern zusammen, so daß ihnen nur noch ein Ersatzpferd blieb. Die beiden Sumpfmänner stiegen jetzt von Zeit zu Zeit ab und liefen neben den Tieren her, aber selbst ihre Kräfte ließen nun auch sichtlich nach.
    Skar sprach kaum noch mit den anderen, weder mit Gowenna noch mit einem der Sumpfmänner. Irgendwann während des zweiten Tages verfiel er in einen Dämmerzustand zwischen Wachsein und Trance, in dem das Verstreichen der Zeit bedeutungslos wurde und selbst seine Gedanken nach und nach zu erlöschen schienen. Seine gebrochenen Rippen schmerzten kaum noch, und schon am zweiten Abend konnte er den Verband abnehmen und das erste Mal seit Tagen wieder frei durchatmen, ohne das Gefühl zu haben, einen Dolch in die Seite gerammt zu bekommen, und auch das Fieber ging von Nacht zu Nacht zurück. Als verlange das Schicksal einen Preis für das allmähliche Zurückkehren seiner körperlichen Kraft, verwirrten sich aber seine Gedanken mehr und mehr. Es fiel ihm schwer, an irgend etwas anderes als den Augenblick zu denken, und als er am fünften Abend, seit sie von Combat fortgeritten waren, aus dem Sattel stieg, waren seine Bewegungen so fahrig und unkoordiniert, daß er das Gleichgewicht verlor und stürzte, wobei er sich auf dem stahlharten Boden Tuans um ein Haar das Handgelenk gebrochen hätte.
    El-tra kommentierte sein Mißgeschick mit einem stummen Kopfschütteln, aber danach blieb einer der Sumpfmänner stets in seiner unmittelbaren Nähe, so, wie der zweite nicht von Gowennas Seite wich.
    Die Landschaft, durch die sie ritten, veränderte sich langsam, aber

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