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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geruch hing in der Luft.
    Herger deutete mit einer Kopfbewegung auf die strohgedeckte Pritsche unter dem Fenster. »Wahrscheinlich bist du Besseres gewohnt«, sagte er. »Aber das ist alles, was ich dir bieten kann. Jedenfalls bist du hier sicher. Ich wecke dich kurz vor Sonnenaufgang.« Er wandte sich um, streckte die Hand nach dem Türgriff aus und hielt noch einmal inne. »Tür und Fensterläden haben Riegel«, sagte er mit sanftem Spott. »Du kannst sie vorlegen, wenn du dich fürchtest.«
    »Eine Frage hast du noch nicht beantwortet«, sagte Skar ruhig. »Gondered. Was hast du mit ihm zu schaffen? Warum kommt er hierher?«
    Für den Bruchteil eines Lidzuckens glaubte Skar Schrecken auf Hergers Zügen zu lesen. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Ich dachte mir, daß du das noch einmal fragen würdest«, seufzte er. »Gondered ist oft hier, genau wie seine Offiziere, die Männer der Stadtgarde ...« Er breitete die Hände aus, drehte die Handflächen nach außen und zauberte ein absichtlich übertrieben-verschmitztes Lächeln auf seine Lippen. »Man muß leben, Skar. Woher, glaubst du, bekomme ich meine Informationen?«
    Skar öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, beließ es dann aber bei einem Achselzucken. Herger nickte, fuhr auf dem Absatz herum und zog die Tür hinter sich zu. Seine Schritte verklangen auf dem Korridor. Wenige Augenblicke später fiel eine zweite Tür ins Schloß, weiter entfernt und gedämpft, und Schweigen senkte sich über den Raum.
    Skar schlurfte mit hängenden Schultern zum Bett, ließ sich auf die Kante sinken und schloß die Augen. Er fühlte sich müde, müde und schwach und hilflos wie ein alter Mann. Die Situation war absurd — er hatte sich auf Gedeih und Verderb einem Mann ausgeliefert, dem er normalerweise nicht einmal dann über den Weg getraut hätte, wenn er das Messer an seiner Kehle hätte. Aber er hatte nicht mehr die Kraft, sich wirklich Gedanken darüber zu machen.
    Er ließ sich zurücksinken, rutschte einen Moment unruhig hin und her, um auf der harten Pritsche eine einigermaßen bequeme Lage zu finden, und starrte zu dem geöffneten Fenster über seinem Kopf empor. Von draußen drangen die verschiedenen Geräusche der Stadt herein, und der Wind trug Salzwassergeruch mit sich. Für einen Moment vermeinte Skar, brennendes Holz und schmorende Körper zu riechen, aber das war natürlich Einbildung.
    Nach einer Weile hörte er Stimmen; die von Herger und eine andere, tiefere. Vielleicht Gondered, dachte er, der gerade mit Herger über den Preis meines Kopfes feilscht.
    Aber noch während er diesen Gedanken dachte, schlief er ein.

E s war eine unruhige Nacht gewesen. Er hatte geträumt — irgendwelches wirres Zeug, an das er sich beim Erwachen nicht erinnern konnte, das aber einen unangenehmen Nachgeschmack und einen dumpfen Druck wie von einer noch weit entfernten, aber bereits spürbaren Gefahr hinterließ. Ganz im Gegensatz zu seinen normalen Gewohnheiten blieb er noch ein paar Sekunden liegen, nachdem Herger ihn geweckt hatte.
    Vor dem Fenster herrschte noch Dunkelheit, aber über der gezackten Schattenlinie der Stadt zeigte sich bereits ein schmaler grauer Streifen. Kälte und Feuchtigkeit waren während der Nacht in das Haus gekrochen, und das Stroh, auf dem er lag, war klamm.
    Herger runzelte mißbilligend die Stirn, als er sah, wie Skars Hand instinktiv zum Gürtel fuhr und nach dem Schwertgriff tastete. »Es ist noch da«, sagte er spöttisch. »Nicht einmal ich bin verrückt genug, ein
Tschekal
zu stehlen, obwohl ich es gerne einmal anfassen würde. Darf ich?«
    Skar benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, was Herger überhaupt wollte. Irgend etwas stimmte nicht mit seinem Kopf. Seine Gedanken bewegten sich nur träge, und er hatte Mühe, sich überhaupt darauf zu besinnen, wo er war.
    Er setzte sich auf, legte die Unterarme auf die Knie und ließ die Hände herabsinken. Sein Rücken war steif, und er spürte schmerzhaft jeden einzelnen Strohhalm, auf dem er gelegen hatte. Er hatte Durst. »Was ist... mit Andred?« murmelte er verschlafen.
    Hergers Gesichtsausdruck wurde eine Spur ernster. »Der Heiler war gestern nacht noch hier«, sagte er. »Er wird leben, aber die Hand bleibt steif. Ich fürchte, er wird nie wieder ein Schiff befehligen.« Er bewegte sich unruhig und mit den unsicheren kleinen Gesten eines Mannes, der vergeblich darum bemüht ist, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. »Ich habe ein Frühstück vorbereitet«, sagte

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