Enwor 4 - Der steinerne Wolf
keine
Errish«,
fügte er hinzu.
»Wer dann?«
»Wer hat diese Armee aufgestellt?« gab Skar zurück. »Und warum?«
Auf Hergers Stirn erschien eine schmale Falte. »Zug um Zug, wie?« fragte er. »Ich sehe, du kennst die Regeln. Aber ich muß dir die Antwort schuldig bleiben — ich weiß es nicht. Offiziell«:, fuhr er nach sekundenlangem Schweigen fort, »heißt es, daß Quorrl über die Grenzen gekommen sind.«
»Und inoffiziell?«:
»Sie ziehen überall Truppen zusammen. Und ich hörte, daß die Händlerkarawanen nicht abreißen. Das sieht mir verdammt nach Vorbereitungen für einen Krieg aus. Aber das sind Vermutungen
- ich kümmere mich nicht um Politik. Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für mich. Aber gute auch«, fügte er verschlagen hinzu. »Ich mache dir einen Vorschlag, Skar: Ich habe Freunde, auch außerhalb Anchors. Ich sorge dafür, daß du ungefährdet aus der Stadt und dorthin gelangst, wohin du willst.«
»Und was verlangst du dafür?«
»Informationen«, erwiderte Herger. »Du sagst mir, was du unterwegs siehst und hörst« — er zuckte mit den Achseln und starrte scheinbar versonnen gegen die Decke — »und was dieses ganze Affentheater soll.«
»Ich denke, du interessierst dich nicht für Politik?« fragte Skar. »Nur wenn es mir einen Vorteil bringt«, gestand Herger grinsend. »Das Wissen, wann und wo ein Krieg ausbricht, kann Gold wert sein, Satai.«
Skar wußte für einen Moment nicht, ob er Herger nun bewundern oder verachten sollte. Die Vorstellung war verlockend — er traute ihm durchaus zu, daß er ihn aus der Stadt und sicher bis Elay bringen lassen konnte; und der Preis, den er verlangte, war nicht hoch; genaugenommen war er gleich Null — wenn Skar sein Ziel nicht erreichen würde, würde es keinen Krieg geben; wenn er vorher starb, ging Herger ebenfalls leer aus. Aber es war auch nicht mehr als eine Vorstellung. Letztlich war Herger nicht mehr als ein Spitzel und Hehler, und seine Freunde waren gemeine Straßenräuber oder noch Schlimmeres. Wahrscheinlich würden sie ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit umbringen oder an Velas Häscher verkaufen. Die Geschichte von Räubern und Ausgestoßenen, die sich im Moment der Gefahr erhoben und ihr Leben für die gerechte Sache und das Volk einsetzten, gehörte ins Reich der Phantasie. Es waren Männer wie Herger, die Vela zu ihren Statthaltern machen würde.
»Ich ... werde darüber nachdenken«, sagte er müde.
In Hergers Augen blitzte es auf. Er wußte, daß es nicht mehr als eine Ausflucht war. Und er hatte wohl auch nie ernsthaft mit einem »Ja« gerechnet.
»Du wirst auf jeden Fall die Nacht über hierbleiben«, sagte er bestimmt. »Morgen lasse ich dich aus der Stadt bringen.«
Skar wollte protestieren, aber Herger ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich weiß ja, daß ihr Satai große Helden seid«, sagte er spöttisch. »Männer aus Stahl, die nichts umwirft. Im Nebenzimmer hängt ein Spiegel, Skar. Sieh hinein, ehe du mir antwortest.
Du hast Rost angesetzt. Wenn du jetzt losgehst, dann schläfst du im Laufen ein und wirst erst wach, wenn du gegen den nächsten Posten gerannt bist.« Er stand auf und deutete mit einer Kopfbewegung zur Tür. »Ich zeige dir dein Zimmer.«
»Warum tust du das?« fragte Skar Herger zuckte die Achseln. »Nimm an, weil du ein Freund von Andred bist«, sagte er.
»Unsinn«, knurrte Skar.
Herger nickte. »Sicher ist es Unsinn. Aber es klingt gut. Die Gesellschaft eines berufsmäßigen Helden verleitet dazu, pathetisch zu werden, weißt du?« Er wurde übergangslos ernst. »Ich kann es mir gar nicht leisten, dich jetzt gehen zu lassen«, sagte er. »Wenn sie dich schnappen, dann werden sie bald wissen, wer dir geholfen hat. Und ich möchte meinen Kopf noch eine Weile auf den Schultern tragen.«
Skar zögerte noch immer. Hergers Worte klangen logisch — beinahe ein bißchen zu logisch.
»Man kann das Mißtrauen auch übertreiben, Satai«, fuhr Herger ungeduldig fort. »Wenn ich dich hätte verraten wollen, dann hätte ich es längst getan. Es ist nicht weit bis zum Hafen.«
Skar erhob sich schwerfällig. Seine Muskeln waren steif geworden, und das Essen und die Ruhe hatten ihn müde werden lassen. Ohne ein weiteres Wort folgte er Herger.
Sie gingen durch einen niedrigen, fensterlosen Gang und betraten ein winziges Zimmer am hinteren Ende des Hauses. Durch das offenstehende Fenster drangen Sternenlicht und die Geräusche der Straße herein; ein schwerer, süßlicher
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