Enwor 4 - Der steinerne Wolf
Tantor.«
»So?«
»Nicht äußerlich«, fügte Herger — nun wieder spöttisch — hinzu. »Aber du hast mir genug von ihm erzählt. Du hast mehr von ihm, als du selbst ahnst, Skar. Ihr seid euch sehr ähnlich.«
»Wir
waren
es«, verbesserte ihn Skar. »Bei Tantor bietet es sich an, in der Vergangenheitsform zu sprechen.«
Herger ignorierte Skars Worte. »Ihr seid beide von Haß zerfressen«, sagte er ernsthaft. »Ihm hat sein Haß den Tod gebracht. Du hast gesehen, wie er endete.«
»Er hat es herausgefordert.«
»Wie du«, sagte Herger unbeeindruckt. »In Wirklichkeit willst du gar nicht nach Elay, um dich dort zu rächen. Du suchst den Tod. Du forderst ihn heraus, wo immer du eine Gelegenheit findest.«
Skar hob widerwillig den Blick und sah Herger ins Gesicht. Der Schmuggler lächelte, aber seine Augen blieben vollkommen ernst. Und Skar begann sich unter seinem Blick unbehaglich zu fühlen. Das ganze Gespräch nahm allmählich eine Wende, die ihm nicht behagte. Es war nicht so sehr das, was Herger sagte, oder auf welche Art — er wäre niemals Satai geworden, wenn er nicht frühzeitig gelernt hätte, sich selbst zu beobachten und sich über seine eigenen Gefühle und Motivationen klarzuwerden —, sondern
daß er
es sagte. Was in ihm war, seine Gefühle, der Haß, der ihn hierhergetrieben hatte, dieser Haß und die Furcht, die noch immer unter der Oberfläche seiner Gedanken brodelte, die Furcht davor, daß das Ding in ihm vielleicht doch nicht tot war, sondern nur schlief, daß es irgendwo tief in ihm noch immer schlummerte und irgendwann einmal erwachen könnte, ein grausames Gegenstück zu der schwarzen Bestie, die sich auf seine Spur gesetzt hatte — all dies gehörte ihm. Er wollte nicht, daß ein anderer wußte, wie es in ihm aussah, daß irgendein Mensch hinter die Maske blickte, die zu tragen er sich bemühte. Hergers Worte gaben ihm das Gefühl, nackt und schutzlos zu sein, ein Mensch aus Glas, dessen geheimste Gedanken klar vor jedem ausgebreitet waren, der sich die Mühe machte, sie lesen zu wollen.
»Das ist meine Sache«, knurrte er.
»Das stimmt nicht«, widersprach Herger ruhig. »Nicht, wenn nicht alles, was du mir erzählt hast, gelogen war.«
Skar sah mit einem Ruck weg und ballte so wuchtig die Fäuste, daß seine Gelenke hörbar knackten. Für einen Moment hatte er Lust, einfach aufzustehen und wegzugehen, aber das wäre nur ein weiterer Beweis für seine Schwäche gewesen. »Es war die Wahrheit«, sagte er. »Aber du wirst trotzdem nie verstehen, weshalb ich hier bin.«
»O doch«, widersprach Herger. »Ich weiß —«
»Nichts weißt du!«
fiel ihm Skar wütend ins Wort. »Ich bin hier, um Del zu rächen, und das ist alles.« Er hatte mit einem Mal Mühe, nicht zu schreien. »Ich habe dir von Vela und ihren Plänen erzählt, aber ich habe es nicht getan, um dein Mitleid zu erregen, Herger. Ich habe dir von ihr erzählt, damit du weißt, worauf du dich einläßt und du mir nicht hinterher vorwerfen kannst, ich hätte dich blind in dein Unglück rennen lassen.«
»Ich — oder du dir selbst?« fragte Herger ruhig.
Skar machte eine wütende Handbewegung. »Nimm es, wie du willst. Vielleicht habe ich es auch getan, damit es wenigstens noch einen Menschen gibt, der die Wahrheit kennt, wenn ich sterben sollte. Ich bin hier, um eine persönliche Rechnung zu begleichen, das ist alles. Nicht mehr und nicht weniger, ganz gleich, was du hineingeheimnissen willst oder nicht. Ich habe dieser Hexe Rache geschworen, und wenn ich dabei zufällig auch noch die Welt rette
- wie du es ausdrücken würdest —, dann ist es in Ordnung. Wenn nicht...«
»Wenn nicht, soll ich es tun?«
Diesmal antwortete Skar nicht. Es erschien ihm plötzlich sinnlos, das Gespräch fortzuführen. Wie konnte er Herger erklären, warum er hier war — wo er es doch im Grunde selbst nicht wußte? Sicher — er redete sich ein, Del (und auch sich selbst) rächen zu wollen. Aber er hatte sich auch einmal eingeredet, Velas Befehlen zu gehorchen, weil sie ihn vergifet hatte, dann wieder, weil er seiner Aufgabe als Satai gerecht werden wollte. Unsinn. Es war alles Unsinn gewesen. Seit er dieses Land betreten hatte, fühlte er sich verwirrt und hilflos wie nie zuvor in seinem Leben, aber vielleicht war es gar keine Verwirrung, vielleicht erkannte er sich nur jetzt zum ersten Mal selbst, vielleicht war es, weil er endlich zu begreifen begann, daß er sich belogen hatte, schon immer, nicht erst, seit er Vela
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