Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
»Reiten wir«, sagte er.
    »Aber...«
    »Ich weiß, was du sagen willst«, fuhr Skar fort. »Aber ich habe mich gerade entschlossen, die Spielregeln zu ändern.«

D as Land wurde steinig, als sie nach Norden ritten. Die Hügel, die den Fluß auf seiner nördlichen Seite flankiert hatten, wurden von Meile zu Meile flacher, und wo anfangs noch rissiger Lehm und Sand gewesen waren, lag nun harter Granit unter den Hufen ihrer Pferde. Sie ritten den ganzen Nachmittag und bis weit in den Abend hinein, ohne daß Herger noch ein einziges Wort gesprochen hätte. Skar war ein paarmal nahe daran, von sich aus das Eis zu brechen und das Wort an Herger zu richten, überlegte es sich jedoch jedesmal im letzten Moment wieder anders. Hergers Verhalten erinnerte ihn an das eines Kindes, das seinen Willen nicht durchsetzen konnte und nun mit Bockigkeit reagierte. Es war nicht so, daß er Hergers Furcht nicht verstand — im Grunde teilte er sie sogar —, aber die Art, in der der Hehler ihr Ausdruck verlieh, machte ihn rasend. Er hätte es noch begriffen, wenn Herger ihn im Stich gelassen und allein davongeritten wäre — halbwegs hatte er es sogar erwartet. Was er nicht erwartet hatte, war, daß Herger trotzdem bei ihm blieb und sich wie ein Kind benahm und schmollte.
    Aber gab es überhaupt etwas an Herger, das er verstehen konnte?
    Das Land veränderte sich weiter. Bald ritten sie durch ein bizarres Labyrinth aus Granit und Felsen, zwischen denen sich nur noch wenige dürre Büsche mit braunen Wurzelfingern festgekrallt hatten. Die Luft roch seltsam steril, und der Wind trug Wolken eines feinkörnigen, braunen Staubes heran, der sich in ihren Haaren festsetzte, unter ihre Kleider kroch und in den Augen brannte.
    Erst als die Sonne vollends versank und das Grau der Dämmerung vom Schwarzblau der Nacht abgelöst wurde, hielten sie an; einfach da, wo sie waren, ohne nach einem besonderen Lagerplatz Ausschau zu halten.
    Skar sprang von seinem Pferd, bewegte ein paarmal die Arme und Schultern, um das taube Gefühl aus seinen Gliedern zu vertreiben, und trat an die Bahre mit dem bewußtlosen Quorrl. Seine Hoffnung, daß der Krieger noch einmal erwachen und ihnen weitere Informationen geben würde, hatte sich nicht erfüllt, aber der Zustand des Quorrl hatte sich sichtlich gebessert: Aus dem fiebergeplagten Koma des Wesens war ein tiefer, erschöpfer Schlaf geworden, und als Skar sich herabbeugte und ihm prüfend die Hand auf die Stirn legte, glühte diese nicht mehr.
    Er löste den Wasserschlauch von seinem Sattel, trank einen winzigen Schluck und träufelte dem Quorrl ein paar Tropfen der kostbaren Flüssigkeit ins Gesicht.
    »Warum nimmst du ihn nicht in den Arm und wiegst ihn ein wenig?« fragte Herger bissig.
    Skar verschnürte seinen Schlauch und hängte ihn wieder an den Sattel, ehe er sich zu Herger umwandte. »Wenn ich wüßte, daß es ihm hilft, dann würde ich es tun«, sagte er ernsthaft.
    »Aber ich glaube, daß das nicht nötig ist. Mit ein wenig Glück wird er auch so durchkommen. Er hat eine unglaubliche Konstitution.«
    »Ich hoffe, daß das auch auf dich zutrifft«, sagte Herger. »Du wirst die Kraft von zehn Satai brauchen, wenn seine Brüder und Schwestern über uns herfallen.« Er schnaubte, schwang sich von seinem Pferd und machte ein paar Schritte. Ein halb unterdrückter Schmerzenslaut kam über seine Lippen. Er hatte den Ritt weit weniger gut verkraftet als Skar. Elf Tage lang hatte er mitgehalten, aber nun schienen seine Kräfte erschöpft zu sein. Er bewegte sich sehr vorsichtig; wahrscheinlich hatte er sich wundgeritten. Vielleicht war auch das ein Grund mehr für seine Gereiztheit. Schwäche und Furcht liegen nahe beieinander.
    »Du haßt die Quorrl, nicht wahr?« fragte Skar.
    Herger schenkte ihm einen trotzigen Blick. »Du nicht?«
    »Nicht so wie du, Herger. Ich fürchte sie, so wie jeder, aber Furcht und Haß sind zwei verschiedene Dinge. Du solltest sie nicht verwechseln.«
    Herger gab ein undeutbares Geräusch von sich, schüttelte den Kopf und wandte sich um, um mit wenigen ungelenken Schritten in der hereinbrechenden Nacht zu verschwinden. Skar dachte einen Moment daran, ihn zurückzurufen, tat es aber dann doch nicht, sondern begann statt dessen, die Pferde abzusatteln und das Nachtlager vorzubereiten. Es ging fast über seine Kräfte, die Trage mit dem Quorrl allein loszubinden und vorsichtig zu Boden sinken zu lassen. Als er es geschafft hatte, war er so erschöpft, daß er sich zitternd gegen

Weitere Kostenlose Bücher