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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufhielt. Sie spielte noch immer mit ihm. Und vielleicht war auch das, genau dieser Gedanke, den er jetzt dachte, nur ein weiterer Teil dieses grausamen Spieles, vielleicht sollte er glauben, das System durchschaut zu haben, nur um in eine weitere, noch teuflischere Falle zu tappen. Das Spiel wurde ernster und der Einsatz höher. Sie schonte ihn nicht mehr, so wie sie es zuvor getan hatte, aber sie schlug noch nicht mit aller Macht zu. Vielleicht sah sie ihn auch jetzt, beobachtete ihn durch die Augen eines weiteren Dämons, der hinter einem der unzähligen Hügel verborgen sein mochte, und amüsierte sich über seine Hilflosigkeit, den ohnmächtigen Zorn, der seine Seele zerfraß.
    »Siehst du mich?« fragte er. Und dann, plötzlich, schrie er mit aller Macht:
»Hörst du mich, Vela? Ich weiß, daß du mich hörst und siehst. Ich komme, so wie du es gewollt hast, du Hexe! Ich komme, und ich schwöre dir bei meinem Leben, daß ich dich vernichten werde!«
    Natürlich bekam er keine Antwort. Die schneebedeckte Weite vor ihm blieb stumm; unbeteiligt, wie sie es seit Äonen gewesen war.
    Nur der Wind heulte leise um die Hügel. Und irgendwo, nicht sehr weit von der einsamen Gestalt auf der Hügelkuppe entfernt, zog ein gewaltiger schwarzer Wolf seine Spur durch den Schnee.

G egen Mittag kam erneut Nebel auf. Der Fluß — nun zu ihrer Linken und in die gleiche Richtung fließend, in der sie sich bewegten, verschwand unter einer brodelnden grauen Decke; es wurde wärmer. Das Schlachtfeld hatte in einer kleinen Enklave des Winters gelegen, in einem Gebiet, das vielleicht in weniger als einem Tagesritt zu durchmessen war. Skar erschrak, als er diesen Gedanken dachte. Der eisige Wind, der ihnen folgte und sie trotz der dicken Kleidung frieren ließ, erschien ihm wie ein Hauch aus einer fremden, längst vergessenen Welt. Eine Falle. Eis und Schnee und Kälte, auch sie waren Waffen, tödlicher als jedes Schwert, wenn sie gezielt eingesetzt wurden. Und dabei war es immer noch nicht mehr als ein Spiel, ein erstes, noch unwis-sendes Hemmexperimentieren mit einer Macht, die, wenn sie erst einmal entfesselt war, die Welt aus den Angeln heben konnte. Wozu würde sie fähig sein, wenn sie erst die vollen Kräfe des Steines zu beherrschen gelernt hat? dachte Skar erschrocken. Er würde es nie erfahren. Vielleicht konnte er es verhindern, wahrscheinlicher aber war, daß er vorher starb. Vela hatte ihm erklärt, daß sie ihn brauchte, ihn — oder genauer gesagt das Erbe, das unerkannt in ihm schlummerte, jenen Teil von ihm, der nicht menschlich, sondern Teil der Götterrasse war, die vor Äonen über diese Welt herrschte. Aber aus irgendeinem Grund hatte sie ihre Meinung geändert. Vielleicht, dachte er, reichen ihr die Gewalten, über die sie jetzt schon gebietet, und vielleicht erschrickt sie sogar selbst vor der Macht, die der Stein wirklich birgt, und will sie gar nicht mehr kennenlernen.
    Der Quorrl regte sich, und der Laut riß Skar aus seinen Überlegungen. Skar gab Herger ein Zeichen anzuhalten, sprang aus dem Sattel und trat vorsichtig zwischen die Pferde. Sie hatten Arme und Beine des Schuppenwesens sorgfältig an die zusammengebundenen Speere, aus denen die Trage angefertigt war, gefesselt, so daß der Quorrl kaum mehr fähig war, sich zu bewegen. Trotzdem hielt Skar vorsichtigen Abstand. Die Trage bebte unter dem Gewicht des gewaltigen Kriegers, und Skar war mit einem Mal gar nicht mehr so sicher wie noch vor Augenblicken, daß das Gebilde der Belastung wirklich standhalten würde.
    Er nahm einen Wasserschlauch, öffnete den Verschluß und träufelte dem Quorrl ein paar Tropfen der eisigen Flüssigkeit auf die Stirn. Das Wesen stöhnte. Aber es war ein anderer Laut als vorher: ein Geräusch, das Schmerz ausdrückte, doch einen Schmerz, den es bewußt empfand. Der Quorrl war wach. »Verstehst du mich?« fragte Skar. Im ersten Moment zeigte der Quorrl-Krieger keine sichtbare Reaktion; dann flatterten seine Augenlider, und Skar begegnete dem Blick großer, pupillenloser schwarzer Augen. Es waren sehr sanfte Augen. Schmerz spiegelte sich in ihnen wider, aber auch etwas anderes, etwas, das so gar nicht der Wildheit und Brutalität entsprach, die man den gepan-
    zerten Riesen unterstellte.
    »Ich spreche deine Sprache nicht«, sagte Skar. Er sprach langsam und mit übermäßiger Betonung und legte zwischen den Worten große Pausen ein, so als rede er mit einem sehr kleinen Kind. »Aber vielleicht sprichst du meine. Wenn du

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