Enwor 4 - Der steinerne Wolf
und ich soll antworten.« Laynanya machte eine rasche, undefinierbare Geste und hob die Hand an den Kopf, um sich mit einer müden, abgespannt wirkenden Bewegung über die Augen zu reiben. Für die Dauer eines Atemzuges konnte Skar ihre Augen sehen — sie waren dunkel und groß und in ein Netz unzähliger winziger Falten eingebettet. Laynanya mußte älter sein, als er bisher angenommen hatte.
»Du hast wohl recht«, murmelte sie. »Aber hier ist nicht der richtige Ort. Wenn du dich kräftig genug fühlst, gehen wir in mein Gemach. Es ist wärmer dort, und du wirst sicher deinen Freund wiedersehen wollen.«
»Wenn du alles über mich weißt«, sagte Skar verärgert, »dann solltest du auch wissen, daß Herger nicht mein Freund ist.«
Trotzdem stemmte er sich vollends hoch, wartete, bis Laynanya aufgestanden war, und schwang die Beine von der Liege. Ihm wurde schwindlig, als er aufstand, und der Schmerz in seinen Schläfen erwachte für Sekunden noch einmal zu einem wütenden Brennen. Er wußte selbst nicht, warum er so aggressiv auf Laynan-yas Worte reagiert hatte — vielleicht war es nicht einmal der Zorn auf Herger, sondern auf sie. Sie hatte seine Gedanken gelesen und in seinen Gefühlen gegraben, Wunden aufgerissen, die gerade angefangen hatten zu heilen, und er ... ja, er schämte sich vor ihr. Laynanya schlug eine der Decken zur Seite und deutete hinaus. Skar trat zögernd an ihr vorbei und schrak zusammen, als zwei gewaltige graugeschuppte Schatten auf ihn zutraten. Im Innersten schalt er sich einen Narren. Jemand wie die
Errish
würde nicht allein mit einem Fremden — einem Satai noch dazu — in einem Raum bleiben, ohne sich abzusichern. Die beiden Quorrl hatten die ganze Zeit hier gewartet.
Er musterte die beiden Krieger abschätzend, wandte sich um und folgte Laynanya. Die beiden Quorrl gingen hinter ihm her, in drei Schritt Abstand — weit genug, um ihm nicht direkt den Eindruck zu vermitteln, er sei ein Gefangener, aber nicht so weit, daß er eine echte Chance gehabt hätte, sich etwa Laynanya mit einer raschen Bewegung zu greifen und als Geisel zu benutzen.
Die
Errish
führte ihn durch ein verwirrendes System von Gängen und leerstehenden Räumen. Skar verlor bereits nach wenigen Schritten die Orientierung, aber er wußte zumindest, daß sie sich tiefer in den Berg hinein bewegten — die zerschründete Decke über ihren Köpfen senkte sich langsam herab, und nach kurzer Zeit erreichten sie die gegenüberliegende Wand, eine senkrechte Mauer, die noch immer mehr als hundert Fuß emporstrebte und irgendwo im Dunkeln endete. Eine schmale, roh aus dem Fels gehauene und in scheinbar sinnlosen Windungen nach oben führende Treppe nahm sie auf und endete in einem kaum sechs Fuß hohen Gang. Skar mußte den Kopf senken, um sich nicht an der niedrigen Decke zu stoßen. Die beiden Quorrl, deren gewaltige Schulterbreite den Stollen zu sprengen gedroht hätte, blieben zu-
rück.
Skar fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über die Wände, während er der
Errish
folgte. Sie fühlten sich glatt an, als wären sie poliert oder mit einer dünnen Schicht geschmolzenen Glases überzogen. Wahrscheinlich war dieses ganze unterirdische Labyrinth durch Vulkanismus entstanden. Irgendwann, vor Jahrmillionen vielleicht, war hier glutflüssige Lava geströmt und hatte diesen Tunnel, die gewaltige Höhle draußen und all die anderen Räume aus dem Fels gebrannt.
Skar wußte nicht, warum, aber der Gedanke beunruhigte ihn.
Der Gang endete nach etwa hundert Schritten vor einer niedrigen, sorgsam in den Stollen eingepaßten Holztür — eine fast rührende Bemühung, wenigstens den Anschein menschlicher Zivilisation in dieses dunkle chtonische Reich zu bringen. Laynanya öffnete sie, trat hindurch und richtete sich mit einem erleichterten Seufzen auf. Das rasche Gehen mußte ihr Schmerzen bereitet haben.
Die Höhle, die sie aufnahm, war wieder riesengroß. Eine Unzahl von Fackeln und lodernden Feuerbecken verbreitete flak-kernde rote Helligkeit und Schatten, und in der Luft lag nicht nur Kälte, sondern auch ein spürbarer Hauch von Feuchtigkeit. Irgendwo floß Wasser.
Skar war beinahe enttäuscht. Er hatte — vielleicht in einer weiteren Analogie zu Velas unterirdischer Festung in Tuan — eine Art Privatgemach erwartet, eine winzige Enklave von Wärme und Wohnlichkeit, aber hier war nichts dergleichen. Die Höhle war vollgestopft mit Kisten, Tonkrügen und Fässern, Ballen mit Stoffen und Lebensmitteln —
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