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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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begann sie. »Keine kleine Gruppe, wie schon oft, sondern eine Armee — mehr als viertausend Krieger. Sie griffen Mar'llion an und verbrannten die Stadt, ehe jemand einen Widerstand gegen sie organisieren konnte. Und Margoi« — ihre Stimme bebte — »Margoi rief das Land zu den Waffen.«
    »Und?« fragte Skar. »Die Quorrl rüsten seit Jahren zum Krieg. Ein Teil von Larn ist bereits gefallen, und überall sammeln sich Heere.«
    »Aber nicht hier!« sagte Laynanya mit Nachdruck. »Elay ist seit Anbeginn der Zeit ein Symbol für den Frieden, Skar. Die
Errish
haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, zu heilen und nicht zu töten. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Heer unsere Grenzen überschreitet, und es wäre nicht das erste Mal, daß wir den Frieden wiederherstellen, ohne zu den Waffen zu greifen. Seit das erste Zeitalter vorbei ist, sind es die
Errish,
die für den Frieden auf Enwor garantieren, Skar.«
    Skar mußte plötzlich daran denken, daß er fast die gleichen Worte einmal zu Gowenna gesprochen hatte. Nur hatte er die Satai gemeint, und er hatte mit der gleichen Überzeugung geredet, mit der Laynanya jetzt sprach. Wie viele mag es noch geben, dachte er, die glauben, das Wohl ihrer Welt läge einzig in ihren Händen? Und wieso war eine Welt, auf der die beiden mächtigsten Clans angeblich nur für den Frieden lebten, eine Welt voller Krieg und Gewalttätigkeit?
    Aber er schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf das, was Laynanya berichtete.
    »Die Ehrwürdige Mutter rief zum Krieg«, sagte sie dumpf.
    »Und wir folgten ihrem Ruf.«
    »Und niemand hat daran gezweifelt?«
    »Gezweifelt?« Laynanyas Stimme klang, als hielte sie ihn für verrückt. »Niemand zweifelt das Wort der Ehrwürdigen Mutter an, Satai«, sagte sie scharf. »Ihr Wunsch ist Gesetz. Für uns ist sie eine Göttin.«
    Skar lächelte dünn. »Für dich nicht, wie mir schein. Sonst wärest du kaum hier.«
    Laynanya starrte ihn an. »Du hast recht«, sagte sie nach einer Weile. »Obwohl ich zu Anfang ebensowenig daran dachte, über ihre Beweggründe nachzusinnen, wie die anderen. Ich half sogar mit, Boten in das Land hinauszuschicken und Pläne zu entwerfen, um die Quorrl zu schlagen. Es war eine meiner Novizinnen, die nach Thbarg ging und die Kapersegler zu Hilfe rief. Aber nach dieser ersten Entscheidung folgten andere, und nach und nach ...« Sie atmete hörbar ein. »Nach und nach begriff ich, daß Margoi nicht mehr sie selbst sein konnte. Und nicht nur ich — Legis und viele von denen, die hier bei uns sind, dachten ebenso wie ich. Ich... könnte dir viel erzählen, Skar, von unseren Versuchen, mit ihr zu reden, hinter das Geheimnis zu kommen ... Wir waren ... verwirrt. Die Margoi ist eine Göttin, und sie kann nicht fehlen. Und doch tat sie es. Eine Zeitlang trösteten wir uns mit dem Gedanken, daß ihre Beweggründe von einer Art sein konnten, die wir nicht verstanden. Doch es geschah noch mehr, Dinge, die wir uns nicht erklären konnten und die ...« Sie stockte, und Skar konnte sich vorstellen, was jetzt in ihr vorging. Was sie ihm hier mit wenigen Worten erzählte, war der Untergang ihrer Welt, der Zusammenbruch all dessen, woran sie einmal geglaubt und wofür sie gelebt hatte.
    »Sie veränderte sich weiter und ... plötzlich hörten unsere Tiere auf, uns zu gehorchen.«
    »Eure Drachen?« fragte er ungläubig.
    »Ja. Sie ... wandelten sich. Auf die gleiche unmerkliche Weise wie Margoi. Wir ... das heißt Legis und ich und einige andere gingen hinunter in die Drachenhöhle, um das Geheimnis zu ergründen. Aber wir fanden keine Drachen, sondern ... Männer.« »Männer?«
    »Soldaten«, nickte Laynanya. »Velas Soldaten, wie ich jetzt weiß. Sie nahmen uns gefangen und sperrten uns in ein Verlies.« Sie schwieg, und Skar konnte sehen, wie der dichte graue Schleier vor ihrem Gesicht bebte; das einzige Anzeichen für die Erregung, die sie ergriffen hatte. Wieder glitten ihre Hände an ihren Leib, aber diesmal war es keine Geste des Schmerzes. Ihre Finger krallten sich in den grauen Stoff, und Skar merkte erst jetzt, daß selbst ihre Hände verhüllt waren. Sie trug Handschuhe aus der gleichen grauen Seide, aus der ihr Gewand gefertigt war. Er begriff plötzlich, warum sie — anders als Legis — selbst hier unten verhüllt blieb. Es war kein Festhalten an alten Riten und Gebräuchen, wie er zuerst angenommen hatte. Sie versteckte sich. Nicht der winzigste Teil ihres Körpers sollte sichtbar sein, und das

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