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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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normal. Du wirst dich bald besser fühlen.«
    Skar stemmte sich vorsichtig auf die Ellbogen hoch und zwang sich, in das flackernde Gegenlicht der Fackeln zu blicken. Er hatte halbwegs erwartet, Legis oder einen der Quorrl zu sehen, obwohl die Stimme nicht Legis' Stimme gewesen war. Aber es war eine Frau — eine
Errish,
wie ihr schmuckloses graues Gewand bewies. Anders als Legis trug sie den zeremoniellen Schleier der Ehrwürdigen Frauen, und selbst über dem schmalen, ausgesparten Streifen über ihren Augen spannte sich ein halb durchsichtiges Tuch, so daß Skar nur ein gelegentliches Aufblitzen sah, wenn sich das Licht der Fackeln in ihren Pupillen brach. Laynanya. Er wußte, daß es Laynanya war. Er konnte die Aura der Macht, die diese Frau umgab, fast sehen.
    »Du bist...«
    »Laynanya«, bestätigte sie. Ihre Stimme klang jung, jünger, als er erwartet hatte. Und es war die Stimme aus seinen Erinnerungen. Die Stimme, die ihm Fragen gestellt hatte. Fragen, dachte er mit einem Gefühl, von dem er selbst nicht wußte, ob es Schrecken oder Zorn oder auch etwas vollkommen anderes war, Fragen, auf die er bereitwillig geantwortet hatte, obwohl sie nach Dingen gefragt hatte, die er am liebsten vergessen hätte.
    Sein Gaumen war trocken, und in seinem Hals war ein unangenehmes Kratzen. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Laynanya hob die Hand und gab jemandem auf der anderen Seite des Bettes einen Wink. Skar widerstand im letzten Moment der Versuchung, den Kopf zu drehen.
    »Du bekommst gleich etwas zu trinken«, sagte Laynanya. Trotz des Schleiers vor ihrem Gesicht glaubte Skar ein Lächeln über ihre Züge huschen zu sehen; aber vielleicht war es auch nur etwas in ihrer Stimme. »Du mußt durstig sein«, fuhr sie fort. »Immerhin hast du fast die ganze Nacht geredet.«
    Skar schüttelte verwirrt den Kopf. Seine Erinnerungen klärten sich, aber gleichzeitig war er immer weniger sicher, was davon nun Traum und was wirklich Erlebtes war.
    Laynanyas Augen lächelten wieder. »Streng dich nicht an, Skar«, sagte sie. »Dein Zustand ist vollkommen normal. Du wirst dich gleich besser fühlen.«
    »Was ... habt ihr mit mir gemacht?« fragte er stockend. Er hob jetzt doch die Hand an die Schläfen und fühlte zwei winzige Einstiche.
    »Ein Kratzer«, sagte Laynanya. »Jedenfalls für einen Mann wie dich.« Es wurde Skar nicht klar, ob diese Worte nun spöttisch gemeint waren oder nicht. Aber er war noch immer viel zu verwirrt, um wirklich darüber nachdenken zu können. Es war auch nicht wichtig.
    »Um deine Frage zu beantworten«, fuhr Laynanya nach einer Weile fort, während ihr Blick in einer schwer zu bestimmenden Mischung aus Bewunderung und kalter Berechnung über seinen Körper glitt. »Ich habe mich mit dir unterhalten.«
    »Unterhalten?« Skar setzte sich ganz auf, zog die Knie an den Körper und massierte seine Oberarme. Langsam kehrte das Leben in seine Glieder zurück, aber im gleichen Maße, wie die Mattigkeit schwand, spürte er auch die Kälte. Er war nackt bis auf seinen Lendenschurz, und die Fackeln verbreiteten zwar Licht, aber kaum Wärme. »Ich hatte eher den Eindruck, daß es ein Verhör war«, sagte er.
    Laynanya nickte ungerührt. »Wenn dir dieses Wort lieber ist« —sie zuckte mit den Achseln, und Skar hörte ein leises, silberhelles Klingeln; er erinnerte sich daran, daß hochgestellte
Errish
winzige Glöckchen aus Edelmetall im Haar trugen — »bitte. Du wirst nicht im Ernst erwarten, daß wir jedem, der in unser Lager kommt, vorbehaltlos vertrauen. Wir müssen uns absichern. Ich muß dir nicht erzählen, wie gefährlich der Gegner ist, gegen den wir kämpfen.«
    Sie verstummte, als sich Schritte näherten. Skar drehte den Kopf und sah einen dunkelhaarigen, in ein schmuckloses graues Gewand gekleideten Mann, der wortlos neben sein Lager trat und ihm einen Zinnbecher reichte. Skar bedankte sich mit einem Nik-ken, setzte den Becher vorsichtig an seine geschwollenen Lippen und trank; zuerst sehr vorsichtig, dann, als die Flüssigkeit seinen Gaumen und die Zunge geschmeidig gemacht hatte, mit fast gierigen Zügen. Er merkte erst jetzt, wie durstig er war.
    »Trink ruhig«, sagte Laynanya, als er den Becher geleert und abgesetzt hatte. »Ghwalin kann dir noch mehr bringen. Wir haben nicht viel, aber für einen Becher Wein reicht es noch.«
    Skar schüttelte den Kopf. Er war noch immer durstig, doch der Becher hatte wirklich Wein enthalten — keinen sehr schmackhaften, aber dafür

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