Enwor 4 - Der steinerne Wolf
einen um so stärkeren Wein, und Skar war so erschöpft, daß er die Wirkung des Alkohols bereits jetzt zu spüren begann. Es war besser, wenn er einen klaren Kopf behielt. »Wie hast du es geschafft, mich zum Reden zu bringen?« fragte er. »Drogen? Oder die Hexenkünste der
Errish?«
Laynanya lachte.
»Weder das eine noch das andere, Skar. Vela ist nicht die einzige, die sich darauf versteht, das Erbe der Alten anzuwenden, wenn ich auch zugeben muß, daß ich nicht halb so geschickt darin bin wie sie.«
Skar erschrak. »Vela?« stieß er hervor.
»Du hast von ihr erzählt«, sagte Laynanya ruhig. »Wir können uns die Spielchen ersparen, Satai. Ich weiß, wer du bist, und ich weiß auch, warum du hier bist.«
»Dann ...«
»Wir haben dich verhört«, fuhr Laynanya fort, und in ihrer Stimme war jetzt eine winzige Spur von Zorn, vielleicht auch nur von Ungeduld. »Du brauchst also nicht den Dummkopf zu spielen. Deine Geschichte erklärt vieles — obwohl ich zugeben muß, daß ich sie kaum geglaubt hätte, wenn ich sie unter anderen Um-
ständen von dir gehört hätte.«
Skar starrte die
Errish
verwirrt an. Für einen Moment erinnerte sie ihn an Vela — er fühlte sich plötzlich hilflos und verloren, und ihre Gegenwart vermittelte ihm das gleiche Gefühl der Ohnmacht, das er stets in Velas Nähe verspürt hatte. Er erinnerte sich nicht an alles, aber er wußte, daß sie ihm unzählige Fragen gestellt hatte. Es war kein sehr angenehmes Gefühl — er sah diese Frau zum ersten Mal, und sie wußte bereits alles von ihm, seine geheimsten Gedanken und Wünsche, alles, was er selbst am liebsten aus seinem Gedächtnis verbannt hätte.
»Du wirst nicht hierbleiben können«, sagte Laynanya plötzlich und scheinbar ohne Grund.
Skar nickte. Er war nicht sehr überrascht. »Ich bin eine Gefahr für euch«, sagte er. »Aber um das zu erfahren, hättest du dir nicht solche Mühe machen müssen.«
»Vielleicht. Aber Gefahr sind wir gewohnt, Skar. Darum geht es nicht. Seit wir in diese Höhlen geflohen sind, rechnen wir jeden Tag mit einem Angriff. Die Herrscherin von Elay unternimmt alles, was in ihrer Macht steht, um unseren Unterschlupf zu finden. Wenn sie uns entdeckt, dann sind wir verloren, ob mit oder ohne dich, Skar. Ginge es nur darum, würde ich dich bitten zu bleiben. Wir führen Krieg, und ein Mann wie du ist so wertvoll wie eine Armee.« Sie seufzte, setzte sich mit einer Bewegung, die ganz und gar nicht zu ihrer äußeren Erscheinung und der Position, die sie innehatte, zu passen schien, auf die Kante seines Lagers und verschränkte die Arme vor der Brust. Skar sah erst jetzt, daß sie schwanger war. Unter dem grauen Gewand wölbte sich ihr Leib sichtbar vor, obwohl sie sich geschnürt hatte, und zwar so fest, daß jede größere Bewegung zu einer Qual für sie werden mußte. Aber er tat so, als hätte er es nicht bemerkt.
»Was ist dann der Grund?« fragte er.
»Zum einen glaube ich nicht, daß du bleiben willst«, antwortete Laynanya. »Du bist nicht der Mann, der so kurz vor dem Ziel noch eine Rast einlegt. Und ich bin keine Frau, die glaubt, daß gemeinsame Feinde aus Fremden gleich Verbündete machen müs-sen. Wir kämpfen gegen denselben Gegner, doch das macht uns noch nicht zu Freunden. Aber du hast recht — du
bist eine
Gefahr für uns, oder besser gesagt für jeden, in dessen Nähe du dich aufhältst.« Sie schwieg einen Moment. »Trotzdem kannst du bleiben, solange du willst. Wir sind dir etwas schuldig, und ich bin es gewohnt, meine Schulden zu bezahlen.«
»Du sprichst von dem Quorrl?«
Laynanya schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast ihm nicht aus Menschlichkeit das Leben gerettet, sondern weil du genau das erreichen wolltest — Dankbarkeit. In diesem Punkt hast du dich aber verrechnet, Skar. Wärest du auf eine Gruppe wilder Quorrl gestoßen, hätten sie dir aus reiner Dankbarkeit den Kopf abgeschnitten. Und wenn Legis dich und deinen Begleiter nicht gefunden hätte, dann wäret ihr draußen auf der Ebene verdurstet oder erfroren. Was das angeht, sind wir quitt.«
Sie schien auf eine Antwort zu warten, aber Skar schwieg. Die Art, in der sie über die Quorrl sprach, gefiel ihm nicht.
»Dankbar«, fuhr Laynanya fort, »bin ich dir für die Informationen, die du uns gegeben hast, wenn es auch sicher unfreiwillig geschah. Sie sind wichtig für uns.«
»Dann begleiche diese Schuld«, sagte Skar. »Bisher hast du gefragt, und ich habe geantwortet —«
»Und jetzt willst du fragen,
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