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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewährt«, wollte ihn Skar beruhigen. »Ein paar Stunden Schlaf werden den Männern guttun.« Er versuchte zu lächeln, aber die Kälte hatte sein Gesicht gelähmt und machte eine Grimasse daraus.
    »Die Männer werden sie sehen, wenn die Sonne aufgeht«, beharrte Helth, als hätte er seine Worte gar nicht gehört. »Wir müssen etwas tun, Skar.«
    »Sie sind Meilen hinter uns«, antwortete Skar widerwillig. »Niemand wird sie sehen. Und wir können nichts tun.«
    »Wir müssen sie vernichten.«
    Skar schüttelte den Kopf. Der Unterton in Helth' Stimme warnte ihn, aber er war viel zu müde, um noch mehr als ein paar Worte zu sprechen. »Es geht nicht.«
    Helth starrte fast eine Minute lang im schwächer werdenden Licht nach Westen, und fuhr dann mit einer abrupten Bewegung herum, als hätten Skars Worte so lange gebraucht, ihn zu erreichen.
    »Und warum nicht? Sie werden uns folgen. Wenn wir ihnen einen Hinterhalt legen...«
    »Und fünf oder zehn Männer in einem Kampf verlieren, der vollkommen sinnlos ist«, fiel ihm Skar ins Wort. »Sei vernünftig, Helth.
    Was deine Männer brauchen, ist Ruhe, Schlaf und ein wenig Wärme.
    Wir suchen uns eine Höhle oder eine windgeschützte Schlucht, und Del und ich werden, abwechselnd Wache halten.«
    Aber es ist doch gar nicht die Kälte, die sie tötet,
flüsterte es in ihm.
    Du weißt es doch schon lange. Warum willst du es nicht zugeben? Es ist dieses Land, das sie umbringt. Laß sie schlafen, und die Hälfte von ihnen wird nicht mehr erwachen.
    »Vielleicht wäre das besser«, flüsterte Skar.
    Helth sah verwirrt auf. »Was?«
    Skar schüttelte hastig den Kopf und nahm dem Veden das Fernrohr aus der Hand. »Nichts«, sagte er in bewußt beiläufigem Tonfall. »Ich führe Selbstgespräche. Das kommt vor, wenn man alt wird.« Er setzte das Glas an und sah zur Küste zurück. Das Meer war noch immer zu erkennen, wenn auch nur als dünne graue Linie vor dem allmählich verblassenden Rosa des Sonnenunterganges. Die lodernde Glut über dem See war erloschen. Vom Dronte war keine Spur mehr zu sehen.
    Er schob das Glas wieder zusammen, gab es Helth zurück und schloß für einen Moment die Augen. Sein Herz pochte, und die Geräusche des Windes steigerten sich in seinen Ohren für einen Moment zu einem höhnischen, bösen Lachen.
Was ist das?
dachte er erschrok-ken.
Werde ich allmählich verrückt? Es war keine Einbildung. Es war dieses Land. Es saugte das Leben aus ihnen heraus. Es war tot, und es tötete jeden, der sich in ihm aufhielt.
    Helth schüttelte auch diesmal den Kopf, als hätte Skar den Gedanken laut ausgesprochen, lächelte traurig und ging weiter. Seine Gestalt verschmolz mit den tanzenden Schatten der Dämmerung.
    Auch Skar löste sich nach kurzem Zögern von seinem Platz und schleppte sich weiter. Das Eis knirschte unter seinen Stiefeln, und tief unter dem milchigen Weiß glaubte er die Konturen von Gebäuden und Straßen zu erkennen, obwohl das Licht dazu nicht ausgereicht hätte, selbst wenn es so gewesen wäre, glaubte für einen Moment, das dumpfe Raunen von Stimmen zu hören, Lachen, Schreien, Rufen, die Geräusche der Wesen, die einmal hier gelebt hatten, bevor der Tod seine weiße Hand über dieses Land legte. Dels Worte fielen ihm ein: wenn sie jemals gelebt hatten.
    »Das habe ich nicht gemeint, Satai«, sagte Helth plötzlich. Skar sah, beinahe erschrocken, auf und bemerkte erst jetzt, daß der Vede erneut stehengeblieben war und auf ihn wartete. Jetzt knüpfte er an seine letzten Worte an, als wäre dazwischen niemals eine Pause gewesen.
    »Sie brauchen Schlaf und Wärme, aber was sie noch dringender brauchen, sind ein paar Worte von dir.«
    »Ein paar Worte«, wiederholte er tonlos. Noch ein paar Lügen?
    Wieder glitt sein Blick an der senkrechten schwarzen Wand vor ihnen empor, und wieder fragte er sich, ob es wirklich Berge waren, und wenn, ob sie nicht nur die Gipfel eines gewaltigen, zerklüfteten Gebirges sahen, die Häupter mächtiger steinerner Riesen, deren Leiber unter einer vielleicht meilenhohen Eisschicht begraben lagen. Da und dort glaubte er eine Linie zu erkennen, die zu gerade, eine Kante, die zu stark geglättet, eine Rundung, die zu perfekt war.
    Helth schwieg, wich aber nicht mehr von seiner Seite. Sie schleppten sich weiter, tiefer in die zerrissenen Flanken der Eisbarriere hinein und gleichzeitig höher. Der Wind gewann an Kraft, als es später wurde, und die Dämmerung schien endlos zu dauern. Das Eis fing das schwache Licht der

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