Enwor 5 - Das schwarze Schiff
ließ ihn fast schrill auflachen. Wenn ich mich nicht beherrsche, werde ich gleich wie ein Wahnsinniger anfangen zu stammeln!
Aber er beherrschte sich, natürlich. Er war Skar, ein Satai, Sinnbild der Stärke und Unerschütterlichkeit, und deshalb, weil er so war, war er hier.
Gowenna lief an ihm vorbei, seine hastige, warnende Geste nicht beachtend, trat auf Helth zu und schlug ihm ohne Vorwarnung die Faust ins Gesicht. Der Vede war auf den Angriff nicht vorbereitet gewesen, nicht auf diese, trotz allem ruhige, fast selbstverständliche Art, in der sie auf ihn zuging und ihn schlug, wie man ein ungehorsames Kind ohrfeigte. Er taumelte zurück, hob instinktiv die Hände vors Gesicht und krümmte sich zusammen, als Gowenna ihm in den Leib trat.
»Gowenna!« sagte Skar. »Nicht!« Es fiel ihm schwer, die beiden Worte auszusprechen. Er fühlte sich plötzlich wie ein unbeteiligter Beobachter, jemand, den dies alles hier eigentlich nichts anging und der nur zufällig da war, und er mußte all seine Kraft aufwenden, um nicht plötzlich loszuschreien und sinnlose Worte zu stammeln. Ihre Hand, bereits zu einem weiteren Schlag erhoben, erstarrte mitten in der Bewegung. Wütend wandte sie den Kopf und starrte Skar an.
»Und warum nicht?« fragte sie. »Er hätte es verdient, daß ich ihm das Messer zwischen die Rippen jage.«
Helth stemmte sich keuchend hoch. Sein Gesicht war verzerrt, und aus seinem linken Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden. Gowenna mußte sehr hart zugeschlagen haben. Seine Hand glitt zum Schwertgriff, und Skar konnte sehen, wie sich sein muskulöser Körper spannte.
»Tu es nicht«, sagte er ruhig. »Sie würde dich schlachten.« Der Bann wich allmählich. Die Dinge und Geräusche in seiner Umgebung wurden wieder klar, rückten wie Teile eines Bildes, die sich nur widerwillig wieder zusammenfügten, an ihren angestammten Platz zurück.
Seine Gedanken beruhigten sich. Aber es war eine Warnung gewesen, und er würde sie beachten müssen. Er begriff plötzlich, daß er nicht so stark war, wie er bisher geglaubt hatte, nicht mehr. Die Ereignisse der letzten Zeit hatten fortwährend an seinen Kräften genagt, kleinen grauen Ratten gleich, die sich beharrlich unter den Mauern um seinen Geist hindurchwühlten, und der Zusammenbruch würde kommen.
Helth erstarrte. Irgend etwas, etwas, das Skar mit Worten nicht beschreiben konnte, dafür aber um so deutlicher spürte, geschah. Er konnte fühlen, wie sich die Spannung, die bisher wie eine unsichtbare dräuende Wolke in der Atmosphäre gelegen hatte, löste, etwas anderem und völlig Unerwartetem wich. Jemand lachte; ein kurzer, unechter Laut, der beinahe augenblicklich wieder verklang. Helth' Lippen begannen zu zittern, und plötzlich war er kein Feind mehr, kein Herausforderer, sondern nur noch ein großer dummer Junge, der nicht bereit war, zuzugeben, daß er einen Fehler gemacht hatte.
»Vielleicht hast du recht«, sagte Gowenna betont abfällig. »Ich würde mir nur die Hände an ihm schmutzig machen.«
Helth schien etwas sagen zu wollen, schwieg aber, als er in die Gesichter der Freisegler sah, und auch Skar entspannte sich wieder. Es war vorbei, und diesmal endgültig. Helth hatte sein Spiel gespielt und verloren, aber es war knapp gewesen. Ohne Gowennas Eingreifen... Skar dachte den Gedanken lieber nicht zu Ende. Sein Blick suchte den Dels, der die ganze Zeit wie ein stummer Schatten in einer Ecke gehockt und die Szene schweigend verfolgt hatte, und obwohl er seine Augen nicht sehen konnte, glaubte er ein kurzes spöttisches Aufblitzen wahrzunehmen. Er hatte keine sehr gute Figur in diesem kurzen, lautlosen Kampf gemacht und vielleicht von Anfang an gewußt, wie die Konfrontation enden mußte. Helth hatte seine Reaktion genau berechnet, sicher, daß Skar in diesem Augenblick nur zwei Dinge würde tun können: ihn töten oder den Kampf aufgeben, beides falsch und beides dazu angetan, ihn zum Verlierer zu stempeln. Auf den Gedanken, ihn wie ein verzogenes Kind, das er trotz allem in Wirklichkeit war, schlichtweg zu verprügeln, war Skar nicht einmal gekommen. Gowenna berührte ihn unsanft an der Schulter und deutete zum Ausgang. »Komm. Wir müssen sehen, was zu retten ist.«
Zu retten... Ihre Worte erschienen ihm wie ein schlechter Witz. Er hätte am liebsten laut aufgelacht, aber statt dessen nickte er wortlos und folgte ihr zum Ausgang. Die Freisegler traten schweigend zur Seite und gaben ihnen den Weg frei.
Das Eis glühte im Widerschein des
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