Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Hilfe.«
Skar sah auf. Sein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen. Gebannt starrte er Drask an.
»Die Antwort kam schnell«, fuhr Drask fort. Seine Stimme wurde bitter. Ein Ausdruck stummer Wut trat in seine Augen. »Der Rat der Satai lehnte es ab, sich in den Krieg einzumischen. Aber keine vier Wochen später landeten Schiffe in Endor und Gork, Schiffe mit Satai-Truppen an Bord. Es kam so überraschend, daß Tage vergingen, bis auch nur so etwas wie Widerstand aufflammen konnte.«
»Satai-Truppen?«
wiederholte Skar verstört. »Aber es gibt keine Satai-Heere!«
.»Jetzt schon«, erwiderte Drask zornig. »Oder wie willst du eine Truppe von dreitausend Satai nennen? Sie griffen Ikne an, und jede Stadt, die auf dem Weg dorthin lag. Dann schleiften sie Bel-Ishtar, schifften sich auf dem Besh ein und fuhren den Fluß hinauf bis nach Cosh.«
Cosh!
Skar erstarrte. Die Sümpfe!
DEL!
Aber schon Drasks nächste Worte machten den schwachen Hoffnungsschimmer wieder zunichte, der in ihm aufgeflammt war. »Die Sumpfleute waren die nächsten«, fuhr er fort und gab damit die Antwort auf eine Frage, die er noch gar nicht gestellt hatte. »Ganz Enwor wartete auf die entscheidende Schlacht zwischen den Sumpfleuten und den Satai, aber sie kam nicht. Statt dessen schlossen sich die Sumpfleute deinen Brüdern an.« Seine Augen flammten vor Zorn. Er ballte die Faust, starrte Skar einen Moment fast haßerfüllt an und holte hörbar Luft. »Und dann die Veden«, fügte er hinzu. »Sie waren die letzten. Anchor und die anderen Städte an der Westküste fielen noch im gleichen Jahr unter ihrem Ansturm.« Er lachte bitter. »Du siehst — sie haben keinen ausgelassen. Die Satai, die Sumpfleute, die Veden...«
»Alle, die dabei waren«, murmelte Skar.
»Alle«, bestätigte Drask. »Ihr habt es ihnen leicht genug gemacht, Skar. Kiina und du haben Enwors geballte Macht gegen den Dronte geführt. Er brauchte sie sich nur noch zu nehmen.«
»Bis auf die Errish.«
»Vielleicht«, sagte Drask. »Niemand weiß, was mit Elay geschah. Seit jenem Sommer wurde keine Ehrwürdige Frau mehr gesehen. Vielleicht haben sie keine Gewalt über sie erlangt, denn die
Errish
sind selbst so etwas wie Magier, aber dann haben sie sie vernichtet, fürchte ich.«
»Das ist nicht gesagt«, widersprach Skar, heftiger, als er sich im ersten Moment selbst erklären konnte. »Das Tal der Drachen ist eine natürliche Festung. Sie... sie können sich gut dort gehalten haben. Niemand kann es erobern.«
»Möglich.« Drask zuckte die Achseln. Die Bewegung wirkte ungeduldig, als interessiere ihn das Schicksal der Frauen von Elay nicht wirklich. Dann bemerkte er Skars Gesichtsausdruck und fügte hinzu: »Wollen wir es hoffen. Sie wären wertvolle Verbündete für uns.« Er beugte sich vor, griff nach seinem Becher und zog die Hand wieder zurück, ohne getrunken zu haben.
»Das ist die Situation, Skar«, sagte er. »Nicht einmal ganze hundert Meilen nördlich von hier sammelt sich das größte Quorrl-Heer, das Enwor jemals gesehen hat. Bei ihnen sind die Satai, die Veden, die Sumpfleute... Es ist eine Sturmflut, Skar.
Und sie wird losbrechen, sobald die Schneeschmelze einsetzt.« Skar versuchte, sich das, was Drask mit Worten ausgedrückt hatte, in Bildern vorzustellen. Er konnte es nicht.
»Diese Festung wird fallen«, murmelte er. »Sie wird fallen«, wiederholte er, als er Drasks zweifelndes Stirnrunzeln sah.
»Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was du erzählt hast, wird sie keine zwei Tage standhalten.«
»Wir sind gut vorbereitet«, sagte Drask.
»Vorbereitet?« Skar schnaubte. »Gib mir hundert Satai, Drask, und ich schleife deine famose Festung.«
»Ich weiß«:, sagte Drask ernst. »Ich... wollte es nicht wahrhaben, bisher, aber du hast recht. Sie wird fallen. Und danach ganz Enwor, wenn kein Wunder geschieht.«
D er Abend kam, aber Skar fand keinen Schlaf. Er hatte noch lange mit Drask zusammengesessen, Stunden, in denen sich ihr Gespräch immer wieder um die gleichen, unbeantworteten Fragen gedreht hatte, unterbrochen von langen, schmerzhaften Pausen voll lastendem Schweigen. Skar hatte während dieser Zeit immer mehr den Eindruck gewonnen, daß der Alte ihm längst nicht alles erzählt hatte, was er wußte — wie konnte er auch: es waren
achtzehn Jahre
vergangen! — aber er war viel zu verstört, um in den gewohnten, logischen Bahnen denken zu können. Er hatte recht gehabt, mit dem ersten Gedanken, als er den Tempel der
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