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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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behauptete Skar. »Das wolltest du. Und vielleicht hast du sogar recht. Es tut mir leid.« Er seufzte, aber dann, fast im selben Moment schon, machte sich Trotz in ihm breit.
    »Warum hast du es mir nie gesagt?«
    »Was? Das mit Titch?« Del zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Aus Dummheit, schätze ich. Vielleicht habe ich einfach angenommen, du wüßtest es. Bradburn will uns sehen«, fügte er unvermittelt hinzu. »Das ist auch der Grund, aus dem ich gekommen bin.« Abrupt wandte er sich zur Tür, stieß sie auf und wartete ungeduldig, daß Skar ihm folgte. Aber er ging schnell weiter, und er hielt auch ein winziges bißchen mehr Abstand, als nötig gewesen wäre. Gerade genug, um Skar begreifen zu lassen, daß er nicht mit ihm reden wollte.
    Sie mußten den Hof überqueren, um zu den Räumen zu gelangen, die Bradburn für sich beanspruchte. Er war noch immer leer. Von den gut zweihundert Quorrl, die Titch eskortiert hatten, war keine Spur mehr zu sehen, und auch die Toten waren bereits weggeschafft worden. Trotzdem ertappte sich Skar dabei, fast krampfhaft überallhin zu blicken, nur nicht in die Richtung, in der die Exekution stattgefunden hatte. Sonderbar, dachte er.
    Er war doch früher nie so zart besaitet gewesen. Aber früher war ihm vielleicht auch noch nie alles so sinnlos vorgekommen.
    Er war Krieger, vom Tage seiner Geburt an, ein Mann, der das Töten kannte und selbst getötet hatte, so viele, daß er schon vor einem Menschenalter damit aufgehört hatte, sie zu zählen. Aber er hatte es nie genossen.
    Sie betraten die Festung auf der anderen Seite des Hofes wieder, und Del führte ihn durch ein wahres Labyrinth von Treppenschächten und Gängen tiefer in den Berg hinein. Eine sonderbare, fast unangenehme Stille nahm sie auf, während sie gebückt durch die niedrigen Gänge eilten und Treppen hinuntergingen, deren Stufen gerade eine Winzigkeit zu niedrig ausgelegt waren, um sie wirklich bequem überwinden zu können. Brad-burns Kammer lag tief im gewachsenen Fels, der das Fundament der Burg bildete; so tief, daß man meinte, das Gewicht der Tonnen um Tonnen von Gestein spüren zu können, die auf die Decke herabdrückten. Vielleicht erinnerte es ihn an seine Heimat, den unterirdischen Tempel in den Bergen, in dem er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Wieder — und nicht zum ersten Mal erschien ihm dieser Gedanke wichtig, ohne daß er sagen konnte, warum — kam ihm die ungeheuerliche Größe von Drasks Trutzburg zu Bewußtsein. Obgleich der allergrößte Teil von Titchs Quorrl-Armee auf der Ebene vor der Festung lagerte, mußten sich mehr als zweitausend Personen in der Festung aufhalten. Aber das änderte nichts daran, daß man stundenlang durch ihre fensterlosen Stollen und Tunnel gehen konnte, ohne auch nur auf ein einziges lebendes Wesen zu treffen. Er fragte sich, wie Drask es geschafft hatte, diese zyklopische Burg in nur
zwei Jahren
aus dem Berg zu schneiden.
    Er verscheuchte auch diesen Gedanken und konzentrierte sich darauf, mit Del Schritt zu halten. Nur ein weiteres Rätsel, das er vermutlich niemals lösen würde. Es war auch nicht wichtig. Bradburn war nicht allein, und das Licht in seiner Kammer war so schwach, daß Skar im ersten Moment Mühe hatte, mehr als Schatten und verschwommene Umrisse zu erkennen. Immerhin sah er, daß Bradburn nicht allein war und daß seine Kammer eher dem Laboratorium eines Alchimisten glich als der Zelle eines
Predigers.
Sie war sehr groß, wirkte aber winzig, denn sie war vollgestopft mit Tischen und Truhen, und an den Wänden standen deckenhohe Regale voller säuberlich geordneter Schriftrollen und alter, ledergebundener Bücher. Skar fragte sich, wie um alles in der Welt Bradburn bei
dieser
Beleuchtung eine Schrift lesen wollte, die aus weniger als handgroßen Buchstaben bestand. Der Prediger beantwortete die unausgesprochene Frage schon im nächsten Moment, indem er nämlich einen glühenden Span an den Docht einer fremdartig geformten Öllampe hielt, welche die Kammer mit erstaunlich intensiver Helligkeit erfüllte. Fast gleichzeitig machte er eine Handbewegung zu der Person, mit der er bei seinem und Dels Eintreten geredet hatte, und schickte sie damit fort. Skar, durch das plötzliche, ungewohnte Licht geblendet, erkannte sie erst, als sie an ihm vorüberging und eine Strähne ihres langen blonden Haares seinen Arm streifte. Verwirrt sah er Kiina nach. Aber er beherrschte sich im letzten Moment, sie anzufahren, was sie hier unten

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