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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Moment noch«, bat er. Titch sah ihn fragend an, hielt aber gehorsam inne, und Skar drehte sich wieder zu der Zuschauermenge um. Erneut — und sehr viel mehr als das erste Mal —fühlte er sich angewidert, ja, beschämt, als er den Blutdurst und die Vorfreude auf das schreckliche Schauspiel in den Gesichtern der Männer ablas. Großer Gott, und er hatte diese Männer für
Satai
gehalten? Sie waren Tiere, dachte er, schlimmer als die Quorrl, denen man ihre animalische Herkunft wenigstens noch ansehen konnte. Er fragte sich, was Titch und die Quorrl empfinden mußten, bei diesem Anblick.
    »Geht!« befahl er laut. »Alle. Die Vorstellung ist vorbei.« Niemand rührte sich, aber Skar sah Verblüffung und Unmut in ihren Augen aufblitzen. »Geht!« wiederholte er noch einmal. »Verlaßt diesen Hof! Ich befehle es!«
    Aus den betroffenen Blicken wurde ein unwilliges Murren.
    Jemand begann, schrill und protestierend zu pfeifen, und einer der Männer hob die Hand und machte einen Schritt in seine Richtung, um etwas zu sagen.
    Skar packte den Mann grob bei der Schulter und stieß ihn so derb zurück, daß er zwei weitere Satai mit sich zu Boden riß.
    »Ich sage es kein drittes Mal!« rief er. »Geht in eure Quartiere zurück. Wer in zehn Minuten noch auf diesem Hof ist, der wird von
mir
vor ein Gericht gestellt!«
    Er wäre nicht einmal überrascht gewesen, wenn sie sich einfach geweigert hätten. Aber für dieses Mal reichte seine Macht über die Männer in den schwarzen Mänteln noch. Zögernd, unwillig und murrend, aber gehorsam, begannen sich die Männer umzudrehen und den Hof zu verlassen. Aber Skar spürte, daß er sehr viel verloren hatte, mit diesem kleinen Sieg. Vielleicht würde er ihn noch bitter bereuen.
    Aber was machte das schon?
    Titchs Gesichtsausdruck war so undeutbar, wie der eines Quorrl nur sein konnte, als sich Skar wieder zu ihm herumdrehte. Aber in seinen Schlangenaugen war etwas, von dem Skar sich wenigstens einbildete, daß es Dankbarkeit war.
    »Du wartest, bis sie weg sind«, verlangte er, laut und in eindeutig befehlendem Ton. »Danach kannst du tun, was du tun zu müssen glaubst. Und wenn es vorbei ist, erwarte ich dich in meinem Quartier. Hast du das verstanden, Quorrl?«

E r beobachtete vom Fenster seiner Kammer aus, wie sich der Hof leerte. Natürlich dauerte es länger als die zehn Minuten, die er den Männern gegeben hatte — der Hof war groß und besaß nur zwei Ausgänge, zog er die Tür ab, die zu den Quartieren der Quorrl führte, und von den gut fünfhundert Mann, aus denen sein Satai-Heer bestand, war der allergrößte Teil gekommen, um das barbarische Schauspiel nicht zu verpassen. Aber die Männer versuchten wenigstens, die Frist einzuhalten — woran sicherlich auch die Tatsache nicht ganz unschuldig war, daß Skar hoch aufgerichtet hinter dem Fenster stand und von unten aus gut sichtbar war. Trotzdem verging fast eine halbe Stunde, ehe auch der letzte Satai den Hof verlassen hatte und Titch mit seiner schrecklichen Arbeit fortfuhr. Skar wandte sich ab, als der Quorrl wieder sein Schwert hob. Er wollte es nicht sehen. Er hätte viel darum gegeben, es nicht einmal
wissen
zu müssen. Langsam drehte er sich um, durchmaß die kleine Kammer zwei-, dreimal hintereinander mit unruhigen, ziellosen Schritten und ließ sich schließlich auf sein Bett niedersinken. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf, starrte aus weit aufgerissenen Augen die Decke an und versuchte, sich über den Grund seines aufgewühlten Seelenzustandes klar zu werden; nicht zum erstenmal in den letzten Tagen und Wochen. Und nicht zum erstenmal gelang es ihm nicht. Etwas geschah mit ihm. In ihm. Er spürte es jetzt ganz deutlich. Es war eine Entwicklung, die irgendwann zwischen heute morgen und Bradburns
Sai-Tan
ihren Anfang genommen hatte und unweigerlich einem Höhepunkt zusteuerte — oder einem Tiefpunkt, je nachdem. Etwas würde geschehen, nicht einmal unbedingt nur mit ihm, und es würde nicht mehr allzulange dauern. In letzter Zeit hatte er immer öfter das Gefühl, sich auf einer dünner werdenden Kruste zu bewegen, unter der sich ein Vulkan zum Ausbruch fertig machte.
    Jemand klopfte. Skar schrak aus seinen Gedanken hoch, schwang die Beine vom Bett und rief ein halblautes: »Herein«, noch während er sich aufsetzte. War Titch schon fertig damit, seine Brüder zu ermorden? dachte er böse.
    Es war nicht der Quorrl, es war Del. Der schwarzhaarige Riese trat rasch ins Zimmer, schob die Tür hinter

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