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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fast sofort das Schwindelgefühl aus seinem Kopf. Schmerzen und Übelkeit blieben, aber auch sie ebbten allmählich ab.
    Skar blieb lange schwer auf den Fenstersims gestützt stehen und atmete die eiskalte Morgenluft mit tiefen, gezwungen ruhigen Zügen ein und aus. Die Burg und die dahinterliegenden Berge verschwammen immer wieder vor seinen Augen, und in seinem Mund war Blutgeschmack. Als er die Hand hob, um wieder nach der Wunde an der Schläfe zu tasten, fuhr er schmerzhaft zusammen.
    Verdammt, ich werde langsam alt!
dachte er, wütend auf den unbekannten Angreifer, aber auch auf sich selbst.
Vor zehn Jahren wäre mir das nicht passiert.
Er wußte nicht einmal, ob das stimmte, aber er konnte sich nicht erinnern, jemals so schnell und gründ-lich verprügelt worden zu sein wie in dieser Nacht. Sein Gegner mußte entweder über übermenschliche Kräfte verfügt haben, oder eine zumindest ebensogute Ausbildung hinter sich gebracht haben wie er.
    Nun — von beidem gab es in der Burg mehr als genug Auswahl, dachte er bitter. Wenn der Mann nicht einen dummen Fehler gemacht und eine deutliche Spur hinterlassen hatte, dann bestand wohl kaum eine berechtigte Aussicht, ihn zu identifizieren. Langsam drehte er sich vom Fenster weg und betrachtete zum ersten Mal bewußt das Durcheinander in seiner Kammer. Der Raum war auch vorher alles andere als ordentlich gewesen; Pendanterie hatte niemals zu Skars Fehlern gehört — aber jetzt glich er einem Schlachtfeld. Was von der spärlichen Einrichtung nicht während des gespenstischen Kampfes gegen den Schatten zerschlagen oder umgeworfen worden war, das hatte jemand hinterher aufs allergründlichste zerstört. Die große hölzerne Truhe, in der er seine wenigen Habseligkeiten aufbewahrt hatte, war umgeworfen und leer, seine Satteltaschen, der Mantel, sein Waffengurt und sogar seine Stiefel verschwunden — seine Geldkatze mit der Handvoll Münzen selbstverständlich auch —, und der Eindringling hatte sich sogar die Mühe gemacht, seine Matratze aufzuschneiden und die Strohfüllung herauszureißen.
    Aber irgendwie — trotz allem — überzeugte der Anblick Skar nicht. Nicht im allermindesten. Alles sah ganz genau nach einem Einbruch aus — aber verdammt, dies war keine Dorfschänke, in der man mit so etwas rechnen konnte, und er kein unbedarfter Reisender, dem man eins über den Schädel zog, um ihm seine Barschaft abzunehmen. Sicher — sie waren in der Gesellschaft eines halben Tausends dahergelaufener Tagediebe und Abenteurer; aber wer von ihnen würde wohl so schwachsinnig sein, ausgerechnet einen Mann ausrauben zu wollen, der als unbesiegbar galt?
    Vielleicht,
beantwortete er seine Frage gleich selbst,
jemand, der wußte, daß er es nicht war.
    Er verschob die Lösung dieses Rätsels — wie die so vieler in letzter Zeit — auf später, unterdrückte im letzten Moment den Impuls, verwirrt den Kopf zu schütteln, und verließ die Kammer. Auf dem Wege nach unten begegnete ihm nur ein einzelner Mann, der ihn automatisch grüßte und dann erschrocken zusammenfuhr, als er seinen Zustand bemerkte. Skar ging rasch an ihm vorüber, schlug den Weg zu Dels Thronsaal ein und erreichte ihn, ohne auf ein weiteres lebendes Wesen zu treffen.
    Del war nicht allein. Auf der großen Tafel rechts seines Thrones war ein opulentes Frühstück aufgetragen worden, an dem er und Kiina sich gütlich taten, wobei sie ausgelassener Stimmung waren
    - Skar hatte das glockenhelle Lachen des Mädchens schon von weitem gehört, und auch Del lachte, als Skar durch die Tür trat. Sein Gesicht hellte sich sogar noch mehr auf, als er ihn erkannte. »Skar!« rief er erfreut. »Du hast lange —« Er brach mitten im Wort ab, starrte ihn eine halbe Sekunde lang eindeutig entsetzt an und sprang dann so plötzlich von seinem Stuhl auf, daß auch Kiina erschrocken zusammenfuhr.
    »Bei allen Göttern, was ist passiert?«
    »Nichts«, knurrte Skar. »Ich bin aus dem Bett gefallen.« Sein Kopf schmerzte. Aus irgendeinem Grund machte ihn der Anblick Dels und Kiinas wütend, wie sie so friedlich zusammensaßen und offensichtlich bester Laune waren. Vielleicht war es Neid.
    Del kam mit zwei, drei weit ausgreifenden Schritten auf ihn zu und streckte die Hände aus, aber Skar schob seinen Arm grob beiseite. Er sah, wie Kiina sich im Sitz herumdrehte und ein zweites Mal und sehr viel heftiger erschrocken zusammenfuhr, bedachte auch sie mit einem finsteren Blick und ließ sich kommentarlos auf einen freien

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