Enwor 7 - Das schweigende Netz
dich eingeschlagen haben, nachdem du besinnungslos warst. Jemand hat versucht, dich umzubringen.« Sein Gesicht verfinsterte sich. »Weiß sonst noch jemand davon?« fragte er. »Natürlich«, antwortete Skar. »Derjenige, welcher mich so zugerichtet hat.«
Del machte ein ärgerliches Gesicht. »Ich meine es ernst, Skar.« »Nein«, antwortete Skar. »Oder doch. Ein Mann kam mir entgegen, oben auf der Treppe. Aber er hat mich nur gesehen.
Er weiß nicht, was passiert ist.«
»Gut«, sagte Del. »Dann bleib hier, bis ich zurückkomme. Du kümmerst dich um ihn, Kiina.« Er wartete Kiinas und Skars Antwort nicht ab, sondern fuhr auf der Stelle herum und rannte mit wehendem Mantel aus dem Raum. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloß.
»Was hat er vor?« fragte Kiina.
»Ich weiß es nicht. Aber was immer es ist, es wird nichts nutzen«, antwortete Skar. »Wer immer mich heute im Schlaf besucht hat, war sehr gründlich.« Er versuchte zu lächeln. »Sie haben mir sogar meine Hosen gestohlen.«
Kiina lächelte, aber ihre Augen blieben ernst. »Sei froh, daß sie nicht deinen Kopf mitgenommen haben«, tröstete sie ihn. »Viel hätte nicht gefehlt. Halt jetzt still. Es wird weh tun.«
Das war — vorsichtig ausgedrückt — untertrieben, fand Skar.
Was immer sie tat, trieb ihm die Tränen in die Augen, und es dauerte ekelhaft lange. Skar hatte das Gefühl, daß sie mindestens eine Stunde lang mit angefeilten Fingernägeln in seiner Wunde herumgewühlt haben mußte, als sie endlich fertig war und damit begann, ein zweites Tuch in schmale Streifen zu reißen, um damit einen Verband zu improvisieren. Aber er ließ auch diesen Teil ihrer Behandlung — fast — klaglos über sich ergehen und bewegte sich erst, als sie es ihm mit einer Geste gestattete.
Vorsichtig hob er die Hand und tastete über den schmalen, aber sehr straff angelegten Verband, der sich um seinen Schädel spannte.
»Sehr gut«, lobte er. »Wo hast du das gelernt?«
»Wo hast du gelernt zu kämpfen?« fragte Kiina.
Es war ein harmloser Scherz, aber es fiel Skar plötzlich schwer, sich zu beherrschen und den jähen Zorn zu dämpfen, den ihre Antwort in ihm wachrief.
»Ich bin ein Kind der
Errish«,
fügte Kiina rasch hinzu, als sie seinen Unmut bemerkte. »Zwar keine richtige Ehrwürdige Frau, aber man bekommt so einiges mit, wenn man zwanzig Jahre lang unter ihnen lebt, weißt du?«
Zwanzig?
Skar war überrascht. Er hatte sie nie nach ihrem Alter gefragt, aber sie doch sehr viel jünger eingeschätzt. Verwirrt nickte er, schob seinen unbegründeten Zorn auf die Schmerzen, die er ausgestanden hatte, und griff zum dritten Mal nach dem Weinbecher. Diesmal trank er sehr vorsichtig, denn er wollte den Tag nach allem nicht auch noch mit einem Rausch anfangen, und nach ein paar Schlucken stellte er den Becher auch zur Seite und griff stattdessen nach dem Krug mit Wasser, aus dem Kiina getrunken hatte.
Als er den Becher absetzte, sah er sein eigenes Spiegelbild in dem Rest Wasser, der noch darin schwappte, und plötzlich begriff er Dels und Kiinas Erschrecken sehr viel besser. Obwohl Kiina das meiste Blut bereits von seinem Gesicht gewischt hatte, bot er einen entsetzlichen Anblick: Seine Haut war bleich und glänzte unnatürlich, und unter seinen Augen lagen dunkle, schwere Tränensäcke. Die dünne gezackte Narbe auf seiner Wange leuchtete wie ein roter Strich und schien sich entzündet zu haben, und Kiinas Verband sah schlichtweg lächerlich aus —wie ein oben abgeschnittener Turban, der sich an einer Seite allmählich dunkel färbte.
»Gefällt es dir?« fragte Kiina spöttisch.
Skar machte: »Hm«, und aus Kiinas Lächeln wurde ein geradezu unverschämtes Grinsen.
»Du wolltest ja nicht zu den Quorrl«, hielt sie ihm vor. »Ich bin sicher, Titchs Heilkundige hätten es besser gemacht. Aber immerhin kannst du jetzt beruhigt in die Zukunft sehen.« »Wieso?« fragte Skar verwirrt.
»Weil dir nichts mehr passieren kann«, antwortete Kiina ernsthaft. »Wer meine Hilfe überlebt, den bringt gar nichts mehr um, weißt du?«
Skar war nicht sehr nach Lachen zumute, aber er verzog pflichtschuldig die Lippen, denn ihm war klar, daß Kiina diesen Scherz nur machte, um ihn aufzumuntern. »Dein Mitleid scheint sich sehr in Grenzen zu halten«, spottete er.
»Es geht«, bestätigte Kiina. »Wenn ich ganz ehrlich sein soll, — es tut beinahe gut zu sehen, daß auch ein Mann wie du verwundbar ist. Bleibst du jetzt hier?«
Die Frage kam so
Weitere Kostenlose Bücher