Enwor 7 - Das schweigende Netz
Stuhl an der Tafel sinken.
»Was ist passiert?« fragte Del noch einmal. »Bist du angegriffen worden?«
Skar starrte finster zu ihm hoch. Die Sorge auf Dels Gesicht war nicht gespielt, und er begriff plötzlich, daß er noch weitaus schlimmer aussehen mußte, als er bisher angenommen hatte, nackt bis auf den Lendenschurz, mit seinem blutüberströmten und vermutlich geschwollenen Gesicht, und einer verkrusteten Wunde an der Schläfe. Trotzdem griff er nach dem Krug, schenkte sich einen Becher voll Wein ein und stürzte ihn mit einem Zug hinunter, statt zu antworten. Er spürte erst jetzt, wie durstig er war.
Del setzte sich wieder. In seinem Gesicht arbeitete es, und Skar war sich insgeheim im unklaren, warum er seine Frage nicht einfach wahrheitsgemäß beantwortete. Aber er hatte den Gedanken kaum gedacht, da spürte er wieder diese brodelnde Wut, einen sinnlosen Zorn, der sich nur auf Del entlud, weil er zufällig in seiner Nähe war.
»Ich hatte einen Alptraum«, knurrte er.
»Du bist verwundet«, stellte Kiina fest, überflüssigerweise, aber in erstaunlich sachlichem Ton.
»Es war ein sehr realistischer Traum«, fauchte Skar. Kiina runzelte die Stirn. Aber sie widersprach nicht mehr, sondern stand wortlos auf, tunkte eine saubere Serviette in die Wasserschale, die zwischen ihr und Del stand, und kam damit um den Tisch herum auf ihn zu. Sehr behutsam und mit erstaunlich geschickten Bewegungen begann sie, das geronnene Blut von seiner Schläfe zu tupfen. Plötzlich kam sich Skar schäbig vor.
»Danke«, murmelte er. Er legte den Kopf schräg, um Kiina ein wenig behilflich zu sein, und biß die Zähne zusammen, als sich ihr an sich sanftes Tupfen seiner Wunde näherte. Del stand auf, füllte seinen Weinbecher wieder und hielt ihn an Skars Lippen.
»Erzählst du uns von deinem Traum?«
»Jemand hat mich niedergeschlagen«, antwortete Skar gepreßt.
»Ich weiß nicht wer, oder warum.«
»Wo?«
»In meinem Zimmer«, antwortete Skar. »Irgendwann heute Nacht. Ich hörte ein Geräusch und wollte hochfahren, aber ich war nicht schnell genug.« Die Lüge ging ihm so glatt von den Lippen, daß es Augenblicke dauerte, bis er überhaupt selbst merkte, was er gesagt hatte.
Aber warum? Zum Teufel, er war doch kein Kind mehr, daß er sich schämte zuzugeben, einen Kampf
verloren zu haben?!
»Du bist im Schlaf überfallen worden?« Del gab sich nicht einmal Mühe, den Zweifel in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Und man hat dich so zugerichtet?« Sein ausgestreckter Zeigefinger stieß nach Skars Schulter. Skar biß die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz aufzustöhnen.
»Laß das«, verbot ihm Kiina scharf. »Seine Wunde sieht übel aus. Jemand hat versucht, dich umzubringen, ist dir das klar?
Du solltest Bra —«, sie brach ab, blickte einen winzigen Moment lang betroffen zu Boden und fuhr mühsam beherrscht fort, »einen von Titchs Heilkundigen bitten, dich zu verbinden.« »Unsinn«, widersprach Skar — obwohl er ganz genau wußte, daß Kiina recht hatte. »Mach weiter. Du machst das sehr gut.« Kiina zuckte mit den Schultern und fuhr fort, an seinem Schädel herumzutupfen, wobei sie das Tuch immer wieder in die Schale tunkte, um es zu säubern. Das Wasser darin färbte sich allmählich rot.
»Erzähle«, forderte Del ihn auf. »Wie viele waren es? Hast du sie erkannt?«
»Ich weiß es nicht und nein«, antwortete Skar. »Es ging zu schnell. Ich bin aufgewacht, habe mich bewegt und eins über den Schädel bekommen, das ist alles. Jemand hat mich ausgeraubt.«
»Ausgeraubt?!« Del lachte fast. »Aber das ist... das ist völliger Unsinn. Das bißchen Geld —«
»Reicht nicht einmal aus, eine Woche in einem Gasthaus zu verbringen, ich weiß«, unterbrach ihn Skar. »Aber es sollen schon Leute für weniger getötet worden sein.«
»Leute«, bestätigte Del. »Nicht du. Nicht Skar, der Satai.« »Irgend jemand scheint nicht gewußt zu haben, daß ich unbesiegbar bin«, antwortete Skar spöttisch.
Del wollte etwas erwidern, beugte sich aber dann statt dessen vor und hielt für einen Augenblick Kiinas Hand zurück, um sich die Wunde in Skars Schläfe genauer zu besehen. »Das Mädchen hat recht«, sagte er, nachdem er sich wieder aufgerichtet und Kiina mit Blicken zu verstehen gegeben hatte fortzufahren. »Das war kein Hieb, der dich betäuben sollte.« Er deutete auf die ansehnliche Sammlung von Blutergüssen und Prellungen auf Skars nacktem Oberkörper. »Und das da auch nicht. Er muß noch auf
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