Enwor 7 - Das schweigende Netz
Töten und Zerreißen, aber dazu perfekt. Skar machte einen stolpernden Schritt zur Seite, ehe er begriff, daß nicht
er
das Ziel der Sternenbestie war, sondern die überlebenden fünf Quorrl und Titch. Aus irgendeinem Grunde würde ihn der
Daij-Djan
auch diesmal noch am Leben lassen. Vielleicht konnte er ihn gar nicht töten.
Aber er tötete den zweiten Quorrl, der sich mit einem schrillen Angstschrei auf ihn stürzte, und er tat es so schnell und gnadenlos wie beim ersten Mal: Seine Klaue fing den Schwerthieb des Kriegers ab und zerbrach gleichzeitig seine Klinge und seinen Arm, dann riß er den vier Zentner schweren Koloß einfach in die Höhe, wirbelte ihn herum und schleuderte ihn davon, zehn, zwanzig, dreißig Meter weit durch die Luft, bis er zwischen den Felsen aufschlug. Der
Daij-Djan
ging weiter.
Skar erwachte endlich aus seiner Erstarrung. Mit einem gellenden Schrei fuhr er herum und zerrte sein Schwert aus dem Gürtel, wohl wissend, wie sinnlos diese Waffe gegen den Dämon war. Aber er kam gar nicht dazu, die Bestie anzugreifen, denn in diesem Moment geschah etwas, was vielleicht noch schlimmer war als der Tod der beiden Krieger.
Titchs überlebende Männer hatten sich um ihren Kommandanten geschart und bildeten einen lebenden Schutzwall. Der
Daij-Djan
bewegte sich ohne sonderliche Hast auf die lebende Festung zu, und die vier Quorrl und Titch wichen im gleichen Tempo vor ihm zurück, bis sie die Kante des Felsplateaus erreicht hatten. In den Gesichtern der Krieger stand der nackte Terror. Es war das erste Mal im Leben, daß Skar einen Quorrl vor Angst wimmern hörte. Vielleicht das erste Mal überhaupt, daß ein menschliches Ohr diesen Laut vernahm.
Und plötzlich schleuderte einer von ihnen sein Schwert davon, zog statt dessen einen kleinen, zweiseitig geschliffenen Dolch —und führte ihn mit einer raschen Bewegung an seiner Kehle entlang!
Etwas in Skar zerbrach.
Es war das erste Mal seit Bradburns
Sai-Tan,
daß er sie wieder spürte, jene finstere, brodelnde Macht, die tief in seinem Inneren verborgen war und nur manchmal erwachte, dann aber zu schrecklicher Kraft und Wut, ein
Etwas,
ebenso dunkel und vielleicht stärker als der
Daij-Djan,
auf jeden Fall aber ebenso gnadenlos. Sein eigenes Leben war ihm egal, nein, mehr noch, er
wußte,
daß ihm nichts geschehen würde, daß er unbesiegbar, unsterblich und unverwundbar war in diesem Moment, denn er war nicht mehr er, sondern sein Dunkler Bruder, ein körperloses Ding, von den gleichen Mächten erschaffen wie die Sternenbestie und ebenso wild, ebenso entschlossen und ebenso unfähig aufzugeben. Sein Körper mochte zerstört werden, denn er war nicht närrisch genug, sich im Ernst einzubilden, den entsetzlichen Kräften der Chimäre irgend etwas entgegensetzen zu können, aber es war auch nicht die Macht seines Schwertes, die den
Daij-Djan
stocken ließ, als sich Skar mit einem Schrei zwischen ihn und die überlebenden Quorrl warf. Sein
Tschekal
sauste herab und verharrte einen Fingerbreit vor dem flachen Nicht-Gesicht der Bestie.
»Geh!« schrie er. »Bring mich um oder geh, du Bestie!
Ich lasse es nicht zu!«
Der
Daij-Djan
zögerte. Er hatte kein Gesicht, auf dem Skar so etwas wie eine Reaktion auf seine Worte hätte ablesen können, aber er spürte, daß ihm der Dämon plötzlich auf eine neue, fast unsichere Art gegenüberstand. Mit einer sonderbar unschlüssigen Bewegung hob er die Hand und streckte den Arm aus, wie um Skar einfach aus dem Weg zu schleudern, berührte ihn aber nicht.
»Verschwinde, Satai!« brüllte Titch hinter ihm. »Er will nur uns! Lauf, solange du es noch kannst, du Narr!«
Skar hörte gar nicht hin. Sein Blick war starr auf das Horngesicht des
Daij-Djan
gerichtet, und der
Daij-Djan
starrte ihn an. »Geh!« wiederholte Skar noch einmal. »Ich lasse nicht zu, daß du sie tötest!«
Willst du dein eigenes Leben opfern, um ein paar Quorrl zu retten?
wisperte die unhörbare Stimme des Ungeheuers hinter seiner Stirn. Es waren nicht wirklich diese Worte, die Skar hörte, es waren überhaupt keine Worte, aber es war der Sinn seiner lautlosen gedanklichen Frage.
»Ja«, rief er laut. »Wenn es sein muß. Ich lasse es nicht zu, hörst du? Du wirst nicht mehr töten! Nicht, bevor du mich getötet hast!
Ich lasse es nicht zu!«
Er hätte es nicht verhindern können, das wußte er. Nicht wirklich. Nicht mit diesem Schwert und seinem lächerlichen menschlichen Körper, den das Ungeheuer in Bruchteilen einer Sekunde einfach
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