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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zerreißen konnte. Der
Daij-Djan
hätte die Hand heben, sein Schwert zerbrechen und ihn einfach zur Seite schleudern können, wenn er wirklich gewollt hätte, aber da war plötzlich noch etwas, die unsichtbare finstere Macht seines Dunklen Bruders, die wie eine Sturmflut aus den Tiefen seiner Seele emporkochte und sich der Chimäre entgegenwarf. Es dauerte nur Sekunden, aber für Skar vergingen Ewigkeiten, während die beiden unsichtbaren Ungeheuer miteinander rangen, nicht Gut und Böse, denn so etwas gab es nicht, das war eine reine Erfindung der Menschen, sondern zwei feindliche Brüder, der eine so haßerfüllt wie der andere.
    Und für dieses Mal gewann er.
    Der
Daij-Djan
senkte ganz langsam die Hand. Er wirkte verwirrt; vielleicht sogar ein bißchen erschrocken — es mußte das erste Mal sein, daß er auf einen gleichwertigen Gegner gestoßen war, seit er auf der Eisinsel des Dronte entstanden war, und vielleicht begriff er auch in diesem Moment zum allerersten Mal, daß es Mächte gab, die ihm gewachsen waren, ja, ihn vielleicht sogar vernichten konnten. Was dem Höllenfeuer des Dronte nicht gelungen war, das gelang dem unsichtbaren Etwas in Skar, und er —
    Skar erkannte den Fehler in diesem Gedanken und verscheuchte ihn. Er begann, menschliche Begriffe auf das Ungeheuer anzuwenden, aber an ihm war nichts Menschliches, nicht einmal wirklich Lebendes. Es war fremd, ungeheuer
fremd.
Kein Wesen einer anderen Welt, sondern das Geschöpf einer vollkommen anderen Natur. Es würde niemals Frieden geben zwischen ihnen. Es existierte keine gemeinsame Basis. Er würde niemals dahinterkommen, was hinter dem glatten konturlosen Gesicht des Ungetüms vorging. Er verstand nur, daß er gewonnen hatte, für diesen einen Moment. Daß der
Daij-Djan
seine Bedingung akzeptierte und die Quorrl leben ließ, um ihn nicht töten zu müssen.
    Dann, von einem Augenblick auf den anderen, verschwand das Ungeheuer. Es war einfach weg, wie ein böser Spuk.
    Aber der Alptraum war trotzdem noch nicht vorbei. Vielleicht begann er sogar erst wirklich in dem Moment, in dem Skar sich herumdrehte und zu Titch und den drei überlebenden Quorrl zurücksah. Die Krieger standen da, erstarrt, wie mitten in der Bewegung von einem bösen Zauber ergriffen und gelähmt, und stierten ihn an. Der einzige, der sich bewegte, war Titch: Der Quorrl-Führer hob die Hände, in einer Art, die Skar absurderweise fast an ein Gebet erinnerte, machte einen halben stockenden Schritt auf ihn zu und erstarrte dann ebenfalls. Sein Mund öffnete sich, aber kein Laut kam heraus.
    »Er ist fort«, brachte Skar mühsam hervor. Plötzlich begannen auch seine Hände zu zittern. Sein Herz jagte, und heiße und kalte Schauer rasten abwechselnd über seinen Rücken. Die fürchterliche Kraft seines Dunklen Bruders war versiegt, und wie immer, wenn er die Bestie in sich entfesselt hatte, fühlte er sich hinterher ausgelaugt und müde; selbst das Schwert schien plötzlich zu schwer zu sein, um es zu halten. Er senkte die Klinge, setzte ihre Spitze auf dem Boden auf und stützte sich schwer auf den Griff. »Er ist fort«, wiederholte er. »Er wird euch nichts mehr tun.«
Für diesmal.
Aber das fügte er nur in Gedanken hinzu. Titch machte erneut einen Schritt auf ihn zu und blieb abermals stehen. Seine Augen waren starr und weit, er blinzelte nicht, und aus seinem halb offenstehenden Raubtiermaul kam noch immer kein Laut. Aber Skar spürte überdeutlich, wie es hinter der Stirn des Quorrl arbeitete. Als Titch dann zum Reden ansetzte, klang seine Stimme flach und brüchig, wie die eines uralten kraftlosen Greises.
    »Was hast du getan, Satai?« keuchte er. »Du hast... hast den
Daij-Djan
vertrieben! Er... er gehorcht dir!« Seine Glieder zitterten. Seine gewaltigen Pranken öffneten und schlossen sich unentwegt, als wolle er etwas packen und zerquetschen. Sein Atem ging schnell und schwer und stoßweise.
    »Wir sind alte Freunde«, sagte Skar mit mattem Spott. Titch ächzte, und Skar sah ein, daß diese Bemerkung nicht sehr klug gewesen war — dies war nicht der Augenblick für Spott und Ironie; nicht einmal für Sarkasmus.
    »Ich kenne dieses... Geschöpf«, fuhr er fort, sehr viel ernster.
    »Ich bin ihm ein paarmal begegnet, Titch. Aber wir —«
    Titchs Schlag kam so schnell, daß Skar keine Chance blieb.
    Die Faust des Quorrl traf ihn zwischen Schulter und Hals, und diesmal schlug der Schuppenkrieger mit aller Gewalt zu. Skar spürte einen entsetzlichen Schmerz durch seine

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