Enwor 8 - Der flüsternde Turm
Er
hatte
Titch verletzt, das wußte er. Er konnte es sehen, und er hatte gespürt, wie irgend etwas unter seinen Fäusten zerbrochen war, und das waren nicht nur die harten Panzerschuppen des Quorrl gewesen.
»Wir werden es nicht schaffen, Titch«, flüsterte er. »Wir haben keine Chance. Es... es wird schlimmer, mit jedem Mal, wenn ich schlafe. Das nächste Mal bringe ich dich vielleicht um.«
Titch lachte unecht. »Der Mensch, der einen Quorrl mit bloßen Händen umbringt, muß erst noch geboren werden«, sagte er leichthin. Skar wollte protestieren, aber Titch schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab. »Ich habe mich ein wenig umgesehen, während du geschlafen hast. Interessiert dich, was ich gefunden habe?« Er wartete Skars Antwort erst gar nicht ab, sondern drehte sich halb herum und deutete in die Richtung, aus der er gekommen war, ohne Skar dabei jedoch auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Dort hinten sind Spuren, und sie sind nicht älter als eine Stunde. Zwei, vielleicht drei.«
»Daktylen?«
»Nein«, antwortete Titch. »Aber auch keine Reiter.« Er machte eine hilflose Handbewegung. »Ich habe Spuren wie diese noch nie gesehen, aber ich denke, es sind Drachenspuren. Und die von Menschen. Wir sollten uns darum kümmern.«
Skar zögerte, aber nur einen Moment. Titch
wollte
nicht mit ihm über das sprechen, was geschehen war, und er konnte den Quorrl sogar verstehen.
Reden
nutzte keinem von ihnen. Und es machte die Gefahr nicht kleiner. Wortlos bückte er sich nach seinem Mantel, warf ihn über und trat mit einer auffordernden Geste neben den Quorrl. Die Stille fiel ihm auf, als sie in den Busch eindrangen. Sie hatten — schon aus Furcht vor Raubtieren — ihr Lager fast unmittelbar am Rande des kleinen Waldflecken aufgeschlagen, nur durch ein paar Büsche geschützt, aber Skar wußte, daß der Dschungel nicht sehr groß war — ein Stück von zwei, allerhöch-stens drei Meilen Länge und der doppelten Breite, von der sie auf ihrem Marsch durch die Nacht allerdings schon das allergrößte Stück hinter sich gebracht hatten. Titch und er waren nicht besonders leise, was allein daran lag, daß sie sich mehr als nur einmal ihren Weg durch das verfilzte Unterholz hacken mußten. Trotzdem hätte es Geräusche geben müssen: der Dschungel quoll schier über vor Leben, und wo so viele Pflanzen Nahrung und Lebensraum fanden,
mußte
es einfach auch Tiere geben. Aber sie sahen und hörten nichts; nicht den mindesten Laut.
Skar sprach den Quorrl darauf an. Titch zuckte nur mit den Schultern, aber nach einem weiteren Dutzend Schritte blieb er plötzlich stehen und deutete mit der Schwertspitze auf einen Punkt dicht neben sich. Skar beugte sich neugierig vor.
Was Titch ihm zeigte, war ein Spinnennetz. Es war unversehrt, mußte aber schon mehrere Tage alt sein, denn die feinen klebrigen Fäden waren voller Staub und Schmutz. Die Spinne selbst- ein ge-waltiges Tier, mit einem Körper so groß wie Skars Daumennagel und fast fingerlangen, haarigen Beinen, hing tot in ihrem Nest im Zentrum des Netzes.
»Und?« Skar warf Titch einen fragenden Blick zu.
Der Quorrl lächelte humorlos und deutete abermals mit seinem Schwert. Diesmal mußte Skar genauer hinsehen, um zu erkennen, was Titch ihm zeigen wollte. Aber als er es sah, erschrak er zutiefst.
Unweit des Spinnennetzes lag ein graugrünes Knäuel auf dem Boden, halb bedeckt von Erdreich und Blättern; ein bizarres Etwas, das Skar im allerersten Moment wie eine absurde Eidechsenkreatur mit zwei Köpfen und mindestens sechs Beinen vorkam.
Bis er erkannte, daß es
zwei
Tiere waren: eine kleine, hellgrüne Eidechse mit schlanken Gliedern und einem fast intelligent anmutenden Gesicht, und eine etwas größere, schuppige Kreatur, die nur aus Krallen und gezackten Panzerplatten zu bestehen schien. Die Tiere hatten sich gegenseitig umgebracht. Selbst im Tode waren ihre Zähne und Krallen noch in den Körper des anderen geschlagen.
»Wenn du dich genauer umsiehst, wirst du noch mehr finden«, sagte Titch düster. »Überall. Du bist nicht der einzige, der schlechte Träume hat.«
»Du meinst, es... wirkt auch auf
Tiere?«
Titch hob zur Antwort nur die Schultern, aber Skar mußte plötzlich daran denken, was Kiina ihm gesagt hatte:
Sie haben uns die Drachen genommen.
Und da war die riesige Gottesanbeterin gewesen, die sie in den Bergen angegriffen hatte.
»Ich weiß es nicht«, knurrte Titch nach einer Weile. »Aber ich habe mich gründlich
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