Enwor 8 - Der flüsternde Turm
hundert Meter von der Felswand entfernt war, und den Rest des Tages bis zum Wald, denn die Luft, die vor Hitze flimmerte, machte es unmöglich, Entfernungen zu schätzen, und die Strecke dorthin betrug nicht zwei, sondern mindestens fünf Meilen. Obwohl er auch am Fluß noch einmal anhielt und so viel trank, bis sein Magen zu platzen schien, bekam er bereits nach einer halben Stunde wieder Durst, der im Laufe des Nachmittages quälend und schließlich fast unerträglich wurde.
Einmal — es war vielleicht eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang — meinte er, einen dreieckigen schwarzen Schatten am Himmel wahrzunehmen, warf sich flach auf den Boden und grub sich ein, so gut er konnte. Als er wieder aufstand und weiterwankte, war der Sand unter seine Kleider gekrochen und scheuerte unerträglich auf seiner Haut. Er wußte nicht mehr, wie er das Kunststück fertig brachte, den Waldrand zu erreichen. Als Titch eine Stunde später ankam, fand er ihn halb bewußtlos am Stamm des Baumes lehnen, den sie als Treffpunkt ausgemacht hatten. Skar erinnerte sich nicht einmal, ihn überhaupt gesehen zu haben.
Titch gab ihm zu trinken. Wasser, das so kalt und frisch war, daß es aus einer Quelle unmittelbar in ihrer Nähe stammen mußte, aber Skar hatte nicht einmal die Kraft, ihn danach zu fragen. Er wollte nur schlafen. Aber Titch war unerbittlich. Er gab ihm eine Viertelstunde, neue Kräfte zu schöpfen, dann marschierten sie weiter.
Sie sahen noch zweimal Daktylen in dieser Nacht — einmal als verschwommenen Schatten, der in rasender Geschwindigkeit über den Himmel jagte, das zweite Mal so dicht über dem Wald, daß Skar meinte, den Luftzug ihrer Schwingen zu spüren.
Gegen Morgen versagten Skars Kräfte endgültig. Er stolperte über eine Würze! und fiel, wie zahllose Male zuvor, aber diesmal blieb er liegen, und auch Titch schien einzusehen, daß es keinen Sinn mehr hatte, weiterzugehen: er hob Skar kurzerhand auf, trug ihn noch eine kurze Strecke durch den Wald und legte ihn im Schutz eines gewaltigen, abgestorbenen Baumes nieder. Skar schlief ein, ehe sich Titchs Hände von ihm lösten —
und träumte.
Wieder war etwas in diesem Traum anders. Der
Daij-Djan
ließ ihn in Ruhe, und er sah sich auch nicht mit Titch kämpfen, aber das Flüstern war wieder da, nur, daß es jetzt kein Flüstern mehr war, sondern eine machtvolle, befehlende Stimme von fast unwiderstehlicher Kraft, die nicht in ihm war, sondern aus allen Richtungen zugleich auf ihn einzustürmen schien, bis er glaubte, den Verstand verlieren zu müssen. Und diesmal wußte er, wo sie herkam: aus dem schwarzen Turm im Herzen des Tales.
Mit dieser Erkenntnis wachte er auf, schweißgebadet und zitternd vor Haß, der ziellos war, und deshalb vielleicht um so schlimmer. Er fuhr mit einem Ruck in die Höhe und öffnete die Hände, um etwas zu packen, ganz gleich was, etwas zu zerreißen, zu... zu
töten.
Es war noch dunkel, und er war umgeben von Schatten und der angenehmen Kühle der Nacht. Das Lager neben ihm war leer, aber in dem feuchten Moos erkannte er deutlich die Umrisse einer massigen, mehr als mannshohen Gestalt, und das kreischende Ding in ihm erschuf den passenden Körper dazu: groß, muskulös und von graugrünen Schuppen bedeckt, ein Quorrl.
Der alte Feind,
flüsterten seine Gedanken.
Vernichte ihn. Töte ihn! Jetzt!
Skar stöhnte. Verzweifelt versuchte er den Wahnsinn niederzuringen, der seine Gedanken zu verschlingen drohte, aber es gelang ihm nicht. Er stand auf. Taumelnd, nicht vor Schwäche oder Müdigkeit, sondern vor Zorn, der kein Ventil fand.
Er hörte ein Geräusch in den Büschen hinter sich: das Knacken von Zweigen, die vor einem schweren Körper zurückwichen, fuhr herum und wich einen halben Schritt zurück, zitternd, keuchend vor Anstrengung und Zorn, er...
roch
den Quorrl, sah seine Silhouette zwischen den Büschen auftauchen —und griff an.
Etwas in ihm schrie verzweifelt auf, aber er war unfähig, den Zorn zu besiegen, und vielleicht war es gut so, denn wäre er nur ein ganz kleines bißchen mehr bei klarem Verstand gewesen, dann hätte er vielleicht seine Waffe gezogen und Titch warnungslos getötet. So griff er den Quorrl mit bloßen Händen an, wie ein Tier, das in die Enge getrieben ist und blindlings um sich schlägt.
Titch wurde vollkommen überrascht. Er versuchte, Skars Arme beiseite zu schlagen, aber er war viel zu langsam. Mit der absoluten Kraft, die nur Zorn oder Todesangst verleihen, packte Skar den Quorrl,
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