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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verwirrt anblinzelte.
    »Was —?«
    Skar legte ihr rasch die Hand auf den Mund und schüttelte den Kopf. »Still!« flüsterte er. »Sag kein Wort. Hast du verstanden?« Kiina nickte, aber in ihren Augen war nichts als Schrecken und Verwirrung. Vorsichtig zog Skar die Hand zurück, stützte gleichzeitig mit der anderen ihren Rücken und half ihr, sich aufzusetzen. Kiina zitterte am ganzen Leib.
    »Kannst du laufen?« fragte er besorgt.
    »Ich... glaube schon«, antwortete Kiina zögernd. Sie sah zur Tür, blickte sich plötzlich erschrocken um und starrte dann aus weit aufgerissenen Augen in die Schatten hinter Skar, mit einem Blick, als fürchte sie, die Schreckensvisionen ihrer Alpträume wären ihr gefolgt. »Was ist passiert?«
    »Später«, antwortete Skar hastig. »Wir müssen weg hier. So schnell wie möglich und ohne daß es jemand merkt.« Er zögerte einen Moment. »Ich werde zwei Pferde für uns stehlen müssen«, sagte er. »Glaubst du, daß du reiten kannst?«
    »Stehlen? Aber wieso... ich... ich verstehe nicht«, murmelte Kiina hilflos. Sie versuchte aufzustehen, aber dieser Versuch en-dete so kläglich wie der Skars am vergangenen Morgen. Er fing sie auf, ehe sie neben dem Bett zusammenbrechen konnte.
    Kiina blieb einen Moment zitternd an ihn gepreßt stehen, dann machte sie sich mühsam frei und bückte sich nach ihren Kleidern. Skar unterdrückte den Impuls, ihr beim Anziehen behilflich zu sein. Er wollte sehen, wie kräftig sie
wirklich
war, und das Ergebnis dieser Beobachtung stimmte ihn nicht gerade optimistisch.
    Ihre Bewegungen waren schwach und fast ziellos; als sie den Gürtel aufzuheben versuchte, griff sie dreimal daneben, ehe es ihr schließlich gelang, das dünne Lederband zu fassen und ungeschickt um die Taille zu binden.
    »Was ist passiert?« fragte sie noch einmal.
    »Genau weiß ich es auch nicht«, gestand Skar. »Aber wir sind verraten worden. Yul und die anderen
Errish
sind...« Er zögerte. Kiina sah ihn gleichermaßen verwirrt wie erschrocken an, und Skar fügte fast widerwillig hinzu: »Ich weiß nicht, was sie sind, jedenfalls nicht das, was sie zu sein vorgeben.« Er machte eine abgehackte Bewegung zur Tür: »Dort draußen sind alte Freunde von dir.«
    Vielleicht war es ein Fehler- aber er erhob keinen Einspruch, als Kiina mit schwankenden Schritten an ihm vorbeiging und durch die Ritzen der Basttür auf den Platz hinausspähte. Besser, sie sah es jetzt, als in einem Moment, in dem ihnen ein erschrockener Laut oder ein entsetztes Zögern zum Verhängnis werden konnte. Er trat hinter sie und spannte sich, um sie im Notfall blitzschnell zum Schweigen zu bringen.
    Aber Kiina schrie nicht auf. Sie fuhr nicht einmal zusammen, sondern stand einfach da und starrte auf den Platz hinaus, auf dem der furchtbare lautlose Tanz noch immer anhielt. Das Feuer brannte mittlerweile höher, und irgendwo an der Küste hinter den
Errish
tat sich etwas; Skar konnte nicht genau erkennen, was, aber wieder hatte er das Gefühl, einen gigantischen huschenden Schatten zu sehen, etwas, das sich immer dicht am Rande seines Gesichtsfeldes bewegte und stets verschwand, wenn er versuchte, es genauer auszumachen. Er dachte an den
Dronte,
und ein eisiger Schauer raste auf Spinnenfüßen über seinen Rücken.
    »Überzeugt?« fragte er. Seine Stimme klang belegt, als hätte es erst dieses Anblicks bedurft, um den Schrecken neu zu erwecken. »Ja«, flüsterte Kiina. »Komm.« Sie wollte die Tür öffnen, aber Skar hielt sie mit einer raschen Bewegung zurück und schüttelte den Kopf.
    »Wir nehmen den Hinterausgang«, sagte er mit einer Geste auf die Rückwand der Hütte. Kiina blickte fragend, verstand dann aber und folgte ihm ohne ein weiteres Wort.
    Die Wand zu durchbrechen gestaltete sich wesentlich schwieriger als in Skars Behausung. Yuls Hütte war weitaus massiver erbaut als die übrigen Gebäude, und es erforderte Skars ganze Kraft, die dünnen, aber zähen Ranken zu zerreißen, die zwischen die Stützbalken geflochten waren. Schließlich nahm er sein
Tschekal
zu Hilfe, um ein halbrundes Loch in die Hüttenwand zu schneiden, gerade hoch genug, daß sie hintereinander ins Freie kriechen konnten. Skar bedeutete Kiina mit Gesten, still zu sein und aufzupassen, ließ sich ein zweites Mal auf die Knie sinken und setzte das herausgeschnittene Teil der Bastwand wieder an seinen Platz, so daß ihr Fluchtweg wenigstens auf den ersten Blick nicht sofort entdeckt werden würde. Er gestand sich ein, daß es ein

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