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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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plötzlich ein sieben Fuß großer Gigant auftauchte und sie ebenso spielerisch überwältigte, und mit einem Mal waren überall
Errish,
das rote Lodern von Fackeln und Bewegung.
    Skar wehrte sich wie ein Rasender, aber es war sinnlos; der
Ultha
verdrehte seinen linken Arm so erbarmungslos, daß er sich selbst das Gelenk gebrochen hätte, hätte er noch mehr Kraft eingesetzt, und seine andere Hand hing unverrückbar fest im Griff des Insektenwesens.
    »Hör endlich auf, Skar«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Es ist sinnlos.«
    Skar wehrte sich nur noch heftiger; aber bloß für einen Augenblick — dann verstärkte der
Ultha
den Druck auf seinen Arm für eine Sekunde bis zur Grenze des Erträglichen und noch ein Stück darüber hinaus, und Skar sank mit einem Schmerzensschrei in den schwarzen Spinnenarmen der Bestie zusammen. Der
Ultha
bewegte sich, wobei er Skar wie eine Puppe herumzerrte, so daß er jetzt auch erkennen konnte, wer es war, der zu ihm gesprochen hatte.
    Es war Anschi. Der Blick, mit dem sie ihn musterte, war kalt, aber auch spöttisch, und allein die Verachtung, die Skar in ihren Augen las, ließ seinen Zorn zu rasender Wut werden. Wieder bäumte er sich gegen den Griff des unheimlichen Wesens auf; mit dem einzigen Ergebnis allerdings, daß ihn ein spitzer Ellbogen aus Horn wie ein Keulenhieb in den Rücken traf und stöhnend in die Knie brechen ließ.
    »Du solltest das wirklich nicht tun«, sagte Anschi kopfschüttelnd. »Er ist ungefähr siebzigmal so stark wie ein Mensch, weißt du? Du hast keine Chance.« Sie gab dem
Ultha
ein kaum sichtbares, rasches Zeichen mit der Hand, und das Insektenwesen zerrte Skar mit einem Ruck auf die Füße. Ein zweiter Wink, und der entsetzliche Druck auf seinen Arm ließ ein wenig nach. Nicht sehr, aber doch so viel, daß der Schmerz erträglich wurde. »Bist du jetzt vernünftig?«: fragte Anschi.
    »Nein«, stöhnte Skar. »Wenn ich das wäre, hätte ich dir gestern abend schon den Kopf heruntergeschossen, du Miststück!«
    Anschi lachte, ein glockenheller, perlender Laut, der Skars Wut zur Raserei machte. Aber es war nur Zorn, das registrierte er trotz allem mit einem dumpfen Schrecken. Nicht jene brodelnde, unbezwingbare Wut aus seinen Träumen, die aus den Abgründen seiner Seele emporbrodelte und sein furchtbares Erbe erweckte, diese entsetzliche Kraft, die ihn zu einem Ding jenseits alles Menschlichen machte und es ihm — vielleicht — sogar ermöglicht hätte, den
Ultha
zu besiegen. Es war wie immer: Jetzt, wo er die schreckliche Kraft seines Dunklen Bruders wirklich gebraucht hätte, wo er sie haben
wollte,
ließ sie ihn im Stich. Das tötende Etwas in seinem Inneren war nichts, was er nach Belieben ein- und ausschalten konnte.
    »Yul möchte dich sehen«, sagte Anschi.
    »Dann sag ihr, daß es mir im Moment nicht paßt«, stöhnte Skar. »Sie soll sich von meinem Hofschreiber einen Termin geben lassen. So in zwei, drei Jäh —«
    Anschi schlug ihm mit der flachen Hand so heftig über den Mund, daß seine Unterlippe aufplatzte. Aber es war sonderbar: Der Schmerz schürte Skars Zorn nicht noch mehr, sondern schaltete ihn regelrecht ab, von einem Sekundenbruchteil auf den anderen. Ganz plötzlich erfüllte ihn eine tiefe, fast schon unnatürliche Ruhe. Er stellte seine sinnlose Gegenwehr endgültig ein, richtete sich auf, soweit es der Griff des
Ultha
zuließ, und blickte Anschi ruhig an. Und plötzlich begriff er auch,
warum
Anschi ihn haßte: Sie hatte Angst vor ihm. Sie hatte einen entsetzlichen Fehler begangen, und sie machte
ihn
dafür verantwortlich, und gleichzeitig fürchtete sie ihn; vielleicht auch nur den Ruf, der ihm vorauseilte. Sie tat ihm fast leid.
    Einen Moment lang hielt die
Errish
seinem Blick stand, dann drehte sie mit einem Ruck den Kopf und machte eine zornige Handbewegung. »Kommt!«
    Sie wurden zurück ins Lager gebracht. Der
Ultha,
der Skar gepackt hielt, gab sich sogar Mühe, nicht zu grob mit ihm zu sein, aber seine Chitinklauen waren nicht zum sanften Zugreifen gemacht, sondern Werkzeuge zum Zerreißen und Töten, und Skars Handgelenke waren schon nach Augenblicken blutig. Hinter sich hörte er Kiina stöhnen. Er versuchte, im Gehen den Kopf zu wenden, um nach ihr zu sehen, handelte sich damit aber nur einen weiteren Ellbogenstoß des Monstrums ein und unternahm keinen zweiten Versuch.
    Auf dem Platz hatte der bizarre Tanz seinen Höhepunkt erreicht, als sie zwischen den Hütten hinaustraten. Das Feuer brannte sehr viel

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