Enwor 8 - Der flüsternde Turm
höher als vorhin, und aus den gleitenden, fast eleganten Bewegungen der
Errish
war ein hektisches Hin und Her geworden, in dem Skar immer deutlicher einen beunruhigenden, irgendwie
vertrauten
Rhythmus zu erkennen glaubte, ohne ihn wirklich identifizieren zu können. Zwischen den
Errish
bewegte sich fast ein Dutzend
Ultha,
und Skar sah jetzt, daß es immer eine Gruppe von sieben oder acht
Ehrwürdigen Frauen
war, die eines der Insektenwesen umkreisten, es manchmal berührten, manchmal mit weit gespreizten Fingern die Konturen seines Schädels nachzeichneten. Es war verwirrend. Erschreckend und beunruhigend, fremd und vertraut zugleich. Er hatte das Gefühl, wissen zu müssen, was hier geschah; gleichzeitig war es etwas, was er nie zuvor im Leben beobachtet hatte. Und es machte ihm Angst. Irgend etwas war
falsch.
Die ineinandergedrehten Kreise der tanzenden
Errish
teilten sich, als er zwischen Anschi und ihren Begleiterinnen auf den Platz hinaustrat. Skar blinzelte, als er direkt in das hoch auflodernde Feuer in der Mitte des Platzes sah. Eine schattenhafte Gestalt stand direkt vor dem Feuer, flankiert von zwei großen, lächerlich dürren Schemen, in deren Schädeln dunkelrote Feuer zu glühen schienen:
Ultha,
deren faustgroße Insektenaugen den Widerschein des Feuers brachen und etwas Fremdes, Böses hineinbrachten.
Der
Ultha
stieß ihn rücksichtslos vorwärts. Sie näherten sich Yul und dem Feuer. Der Kreis aus
Errish
und Bewegung schloß sich wieder hinter ihnen, und für einen Augenblick hatte Skar das unangenehme Gefühl, nun selbst Teil dieser unnatürlichen Beschwörung zu sein. Und irgendwie war er es auch, das spürte er. Was immer hier geschah, er hatte damit zu tun.
Yul hob die Hand, als er vor ihr stehenblieb, und der Griff des
Ultha
lockerte sich noch weiter. Skar schwankte. Einer der beiden
Ultha
hinter der
Errish
stieß ein hohes, zirpendes Geräusch aus, das gleichzeitig hilflos wie drohend klang. Yul brachte ihn mit einer knappen Geste zum Verstummen und wiederholte ihre Handbewegung. Die Insektenklauen lösten sich von Skars Haut, und plötzlich war er ohne Halt. Er wankte, wäre um ein Haar auf die Knie gefallen und fand im letzten Moment sein Gleichgewicht wieder.
»Ich hoffe, du bist nicht verletzt«, sagte Yul.
Skar starrte sie an. Seine Schulter pochte wie ausgekugelt, und sein linker Arm war so nutzlos, als
wäre
sie es, und Zorn und Schmerz gebaren einen verlockenden Gedanken: Sie hatten ihn nicht einmal entwaffnet. An seiner Seite hing noch immer das
Tschekal,
und er stand kaum drei Schritte von der alten
Errish
entfernt. Eine blitzschnelle Bewegung, und —Aber dann fielen ihm Anschis Worte wieder ein:
Sie sind ungefähr siebzigmal so stark wie ein Mensch.
Es war gleich, ob er ihr glaubte oder nicht. Es reichte, wenn sie
doppelt
so stark waren. Sie waren auch mindestens doppelt so schnell wie er. Das Ungeheuer hinter ihm hätte ihm den Arm abgerissen, ehe er das Schwert auch nur halb aus der Scheide gezogen hätte.
»Das stimmt, Skar«, sagte Yul.
»Was?«
Die
Errish
lächelte milde, auf eine verzeihende, fast mütterliche Art und Weise, die ihn schon wieder fast an den Rand der Raserei trieb. »Oh, ich kann manchmal Gedanken lesen, weißt du? Oder zumindest Blicke deuten. Du hättest keine Chance. Sie sind die besten Leibwächter, die du dir denken kannst.«
Skar starrte sie an, schluckte die wütende Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag, und drehte sich mit einem Ruck zu Kiina herum.
Das Mädchen war auf die Knie gesunken, nachdem der
Ultha
sie losgelassen hatte. Skar schauderte, als er das Ungeheuer zum ersten Mal von nahem und deutlich sah: Es war weit größer, als er bisher angenommen hatte, und schien nur aus Horn und Stacheln und natürlichen Waffen zu bestehen. Seine faustgroßen Facettenaugen musterten Skar kalt, aber voller Mißtrauen und Tücke, und seine dreifingrigen Klauen blieben leicht geöffnet, zum Zupacken bereit, als Skar sich über Kiina beugte und ihr ins Gesicht sah.
»Bist du verletzt?« fragte Skar.
»Nein, das ist sie nicht«, antwortete Yul an Kiinas Stelle. »Aber sie hätte sterben können, du Narr! Ich habe dir gesagt, daß sie krank ist.«
Skar ignorierte sie. Behutsam legte er die Hand unter Kiinas Kinn und hob ihren Kopf an. Das Gesicht des Mädchens war vor Furcht und Erschöpfung verzerrt, und ihr Blick flackerte wie der einer Wahnsinnigen. Als sie seine Berührung spürte, versuchte sie den Kopf zu schütteln. Ihre Haut war kalt und
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