Enwor 8 - Der flüsternde Turm
proportionierter Menschen sein, denn es gab schmale, leicht schräggestellte Sehschlitze, hinter denen Skar das Glitzern eines dunklen Augenpaares wahrnahm.
Skar hielt den Atem an, als sich der Blick dieser Augen für Sekundenbruchteile direkt auf ihn zu richten schien. Er wußte, daß er für jeden dort drinnen unsichtbar sein mußte; die Nacht war wie ein schwarzer Vorhang vor dem Höhleneingang. Aber wer sagte ihm, daß die Augen hinter diesem grotesken Helm die von Menschen waren, und nicht die irgendwelcher Kreaturen, die in der Nacht ebenso deutlich zu sehen vermochten wie er am hellen Tag? Seine Hand schmiegte sich fester um das Schwert. Er war nahe genug, um einen Sprung zu riskieren, und —Der Mann in der sonderbaren Rüstung drehte sich wieder herum und wechselte ein paar Worte mit seinem Begleiter. Skar atmete innerlich auf. Er wartete, bis sich die Gestalt ein wenig vom Eingang wegbewegte, huschte weiter und duckte sich hinter den Körper des toten Quorrl. In der nächsten Sekunde beglückwünschte er sich dazu, den Angriff
nicht
gewagt zu haben: In der Höhle hielten sich nicht zwei, sondern fast ein Dutzend jener sonderbaren Gestalten auf. Selbst wenn sich unter den bizarren Rüstungen ganz normale Menschen verbargen, wären seine Chancen erbärmlich gewesen, auch nur die ersten Sekunden zu überleben.
Und die reglosen Gestalten der Quorrl am Boden bewiesen, daß es sich bei den Helmträgern um alles andere als
normale
Gegner handelte.
Skar versuchte zu erkennen, was die Männer taten, aber es gelang ihm nicht. Seine Position am Höhleneingang war zu ungünstig, um ihn mehr als huschende Schatten und einzelne nicht zu identifizierende Bewegungen wahrnehmen zu lassen. Er versuchte, sich ein wenig weiter vorzuarbeiten, wobei er den Leichnam des Quorrl als Deckung ausnutzte. Seine Hand glitt über die graugrünen Schuppen des toten Giganten.
Und zuckte erschrocken zurück.
Der Quorrl lebte.
Sein Gesicht war starr, und über den weit aufgerissenen Augen lag ein milchiger Schleier, aber der Quorrl atmete, und als Skar behutsam nach seinem Hals tastete, spürte er einen ganz schwachen, aber regelmäßigen Pulsschlag. Er lebte.
Verblüfft ließ Skar sich wieder zurücksinken. Der Quorrl lebte.
Er hatte gesehen, wie ihn das grüne Feuer traf und zu Boden streckte, aber wie immer diese unheimliche Waffe wirkte, sie tötete offensichtlich nicht — und das hieß, daß Titch vielleicht auch noch am Leben war.
Skar zog sich lautlos weiter vom Höhleneingang zurück, schob die Waffe wieder in den Gürtel und sah sich um. Die Schatten der beiden
Errish
waren deutlich näher gekommen, aber Skar verwarf den flüchtigen Gedanken, sie anzugreifen, sofort wieder. Er ignorierte allerdings auch das mahnende Flüstern hinter seiner Stirn, das ihn dazu bringen wollte, zu verschwinden, solange er noch Zeit dazu hatte. Statt dessen wich er ein paar Schritte zur Seite, suchte sich einen Felsen, hinter dem er geschützt war, und wartete. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
Die beiden
Errish
kamen nur ganz allmählich näher. Das Gehen auf dem stark abschüssigen Hang schien ihnen große Mühe zu bereiten; sie liefen stark nach vorne gebeugt, wie Menschen, die sich gegen einen unsichtbaren Sturm stemmten, und ihre Bewegungen waren... falsch. Hölzern wie die von Puppen.
Oder Menschen,
dachte Skar,
die unter dem Einfluß eines fremden Willens standen.
Aber es waren
Errish.
Es war unmöglich, eine
Errish
zu hypnotisieren.
Er wartete.
Minuten vergingen, reihten sich aneinander und wurden zu einer Viertelstunde, bis die beiden Gestalten endlich die Höhle erreichten und stehenblieben. Der Feuerschein überschüttete ihre Gesichter mit rotem Licht und verwirrenden Schatten, die es unmöglich machten, irgendeinen Ausdruck darauf zu erkennen, aber Skar sah zumindest, daß eine der beiden jungen Frauen niemand anderes als Anschi selbst war. Der Anblick erfüllte ihn mit dumpfer Wut, die allerdings zu einem nicht geringen Teil ihm selbst galt. Was für ein Narr war er gewesen, sich von diesem Kind übertölpeln zu lassen! Und sein Zorn stieg noch, als auch die zweite
Errish
die Kapuze zurückstreifte und er Kiina erkannte.
Eine der schwarzgepanzerten Gestalten trat aus der Höhle heraus und blieb dicht vor den beiden
Errish
stehen. Anschi und ihre Begleiterin senkten demütig das Haupt, und der Riese hob die Hände an den Kopf und setzte den Helm ab.
Skar unterdrückte im letzten Moment einen ungläubigen
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